Biennalen
16. Sharjah Biennial- Lernen von Ahnen
06.02.–15.06.2025
von Sabine B. Vogel
Von der Decke hängt ein langer, dunkler, aus dicken, schwarzen Fäden gewobener Schal. Oder ist es ein Teppich? Weder noch. Es ist eine materialisierte Erinnerung und zugleich Beschwörung, hergestellt von Aluaiy Kaumakan gemeinsam mit Mitgliedern der Paridrayan Gemeinschaft. Sie gehören zur Paiwan Nation, eines der sechszehn offiziell anerkannten indigenen Völker Taiwans. Ihr Dorf wurde 2009 von einem Taifun zerstört, die 176 Familien mussten es in einiger Entfernung neu aufbauen. Kaumakan ist die Tochter des Oberhaupts, in dieser Rolle startete sie am neuen Ort gemeinschaftsstiftende Aktivitäten wie das traditionelle Weben. Jetzt sind ihre Werke Teil der Sharjah Biennial 16. Das kleine Emirat mit rund 1,8 Millionen Einwohner*innen liegt eine halbe Autostunde von Dubai entfernt. 1993 gegründet, lag der Fokus der Biennale Anfangs auf lokaler und islamischer Kunst. 2003 übernahm Hoor Al Qasimi, die teils in London lebende Tochter des Herrschers, die Leitung und positionierte die Biennale innerhalb weniger Ausgaben zur wichtigsten Veranstaltung für zeitgenössische Kunst im Nahen Osten – und darüber hinaus.
Diese Rolle bestätigt die 16. Edition jetzt noch einmal eindrücklich. Denn hier erleben wir eine enorme Verdichtung jener in den letzten Jahren den Kunstdiskurs bestimmenden Themen wie „non-human-communication“ über „vom Süden lernen“ bis zu feministischer und indigener Kunst. Dabei zeigt die Biennale mit rund 650 Kunstwerken, darunter 200 ortsspezifische Auftragsarbeiten, von 200 Künstler*innen an 17 Orten deutlich, wie sehr sich der Begriff von Kunst verändert hat. Ob „l’art pour l’art“, Autonomie oder radikale Reduzierungen – solche Konzepte sind auf Biennalen…