Chemnitz
Begehungen Nr. 22
Everything is Interaction
Heizkraftwerk 18.07–17.08.2025
von Sabine Maria Schmidt
Es ist bereits die 22. Ausgabe des 2003 in Chemnitz gegründeten Kunstevents, doch in diesem Jahr musste es spektakulär sein. Begehungen heißt das ungewöhnliche Ausstellungsformat aus Chemnitz, das sich die Rückeroberung verlorener urbaner Räume zur Aufgabe gemacht hat. Nach der Wende schlug die Treuhand in der ehemaligen Arbeiterund Industriemetropole Karl-Marx-Stadt besonders hart zu, über 80.000 Menschen verließen in den 1990er-Jahren die Region, der Strukturwandel zieht sich bis heute durch Alltag und Lebensgefühl, das wieder zunehmend „ostig“ sein will. Zunächst waren es aufgegebene Ladengeschäfte, der ehemals sozialistische Einkaufsboulevard am Brühl, später verlassene Kleingärten, eine abgewickelte alte Brauerei, ein aufgegebenes Schwimmbad oder eine verwaiste Schule, die als Austragungsorte eine Wiederbelebung erlangten und auf die ungesehenen Löcher und Lücken in der Infrastruktur der Stadt aufmerksam machten. Die Locations waren immer cool, die künstlerische Qualität eher bedenklich. Sie wuchs erst mit den letzten Ausgaben. Dafür luden der Festivalmitbegründer Lars Neuenfeld und Team die international tätige (und aus „Ostdeutschland“ stammende) Kuratorin Claudia Tittel ein; der eine sorgsam ausgerichtete, anspruchsvolle und sich selbst reflektierende Ausstellung gelungen ist, die auch das einhält, was sie verspricht.
In Chemnitz zelebriert man (ästhetisch) das Autodidaktentum und einen primär kunsthandwerklichen Ansatz. Zeitgenössische Kunst wird als solche per se kaum wahrgenommen, genossen oder diskutiert. Sie ist eher ein Tool für irgendetwas anderes, soll sich in den Dienst stellen, meist einem gesellschaftspolitischen Anliegen. Statt sozialistischer Staatskunst ist es nun ein breit aufgefächertes Do-It-Yourself-Panorama im Kontext demokratischer Teilhabe, in dem möglichst viele Stimmen „des Volkes“…