Digital Bodies
Teil 6: Prothesen-Körper
Das neue Bild vom Menschen an der Schnitt stelle von Kunst, digitaler Technologie und Körperpolitik
Eine KUNSTFORUM-Serie von Magdalena Kröner
Die Anfügung
Bereits in der Antike kannte man Prothesen, um fehlende Körperteile wie einen Zeh, eine Hand oder einen Unterschenkel durch mechanische Vorrichtungen aus Holz, Leder, und später auch Metall, zu ersetzen. Die, wie es im Altgriechischen heißt „Anfügung“ an den Körper spiegelte sich als Phantasma von Beginn an auch in der bildenden Kunst. In der Gegenwartskunst werden aktuell Elemente der Prothetik wieder verstärkt zum Thema, und zwar jenseits der Erzählungen und Dogmen eines Kapitalismus westlicher Prägung, die den effizienten und leistungsfähigen Körper in ihr Zentrum stellen. In diesem Essay wird eine Auswahl von Künstlerinnen und Künstlern vorgestellt, die in ihrem Werk Prothesen als spekulatives Medium an der Schnittstelle untersuchen: zwischen natürlich und künstlich, zwischen real und virtuell, naturbelassen und optimiert, zwischen einengendem Harnisch und sinnlicher Körpererweiterung.
Auch in der Mode wird das Thema immer wieder relevant, stellt sie doch geschneiderte „Anfügungen“ her, Prothesen aus Stoff, anschmiegsame oder rigide Körperzurichtungen. Der britische Designer Alexander McQueen paßte für die Präsentation seiner Frühjahr / Sommer-Kollektion 1998 seinen Modellen martialisch wirkende, metallene Unterkiefer an, die sowohl an die Ikonographie des mexikanischen Totenkultes als auch den „T-1000“ erinnern – den Gegenspiegel des „Terminators“ aus flüssigem Metall. Wesentlich heiterer hat das Thema der „Anfügung“ jüngst der niederländische Designer Duran Lantink variiert, der in seiner Herbst / Winter-Schau 2025 Bodyprops zeigte, die fast für mehr Interesse sorgten als die eigentlich vorgestellte Kollektion. Auf Social Media…