Das Skulpturale im Tanz – Tanz im Skulpturalen
von Michael KRAJEWSKI
Skulptur bleibt, Tanz vergeht – eine scheinbar stabile Dichotomie. Doch wie jede kulturelle Zuschreibung ist sie historisch und sozial konstruiert. Die Vorstellung von Dauer in der Bildhauerei gründet auf dem Material: Stein, Metall, Holz – Symbolträger des Ewigen. Tanz hingegen wird als flüchtig wahrgenommen, als Kunst der Bewegung und Zeit. Das ignoriert die Gemeinsamkeiten: Beide Disziplinen agieren im Raum und teilen eine Bühne: die Tanzfläche oder den Ausstellungsort. Beide adressieren unsere körperliche Erfahrung.
Schon lange beschränkt sich Skulptur nicht mehr auf Meißeln und Modellieren, bezieht Readymades, Ephemeres und körperliche Elemente ein. Kinetische Kunst, Konstruktionen und Installationen haben das Spektrum erweitert, Konzept, Film, Narrationen und Digitales ihre Entmaterialisierung vorwärtsgetrieben. Selbstverständlich stellt skulpturale Auseinandersetzung mit dem Körper heute die Frage nach dessen Repräsentation und Sichtbarkeit. In all diesen Entwicklungen spielten der Tanz, seine Beweglichkeit und Musikalität eine inspirierende Rolle. Oskar Schlemmers Triadisches Ballett wirkt in der Skulptur über hundert Jahren nach. Die Kostüme aus ungewöhnlichen Materialien wie Stahlblech und Sperrholz schränkten die Tänzer*innen stark ein und verwandelten den menschlichen Körper in abstrakte Figurinen. Später konnten nur wenige bildende Künstler*innen solche solche Totalkostüme oder Ganzkörpermasken auf die Bühne bringen. Zu den Ausnahmen gehört Jean Dubuffets Coucou Bazar, ein spektakuläres ‚animiertes Gemälde‘ , das Malerei, Skulptur, Theater, Tanz und Musik zum multimedialen Spektakel verband, wurde nur dreimal zwischen 1971 und 1973 aufgeführt – ein künstlerischer Kraftakt, dessen immenser Aufwand eine breitere Rezeption verhinderte.
Skulpturale Umbrüche standen immer wieder in Beziehung zum Tanz, etwa bei Merce Cunningham, dessen…