Die Ästhetik des Eros
Vulvalust bei Talaya Schmid und Pornophotographica bei Fritz Franz Vogel
von Paolo Bianchi
„Man muss noch Chaos in sich haben, um einen tanzenden Stern gebären zu können“, aus Also sprach Zarathustra von Friedrich Nietzsche. Und: „Ich sage euch: ihr habt noch Chaos in euch.“1 Chaos ist mehr als nur Unordnung. Es ist eine kreative, lebensbejahende Energie. Es steht für Leidenschaften und Mut. Selbstverwirklichung entsteht aus innerem Chaos. Der tanzendende Stern ist ein Ideal der Selbstüberwindung und Schöpfung. „Tanzend“ meint Dynamik und Freiheit. Wer bereit ist, sich seinen inneren Konflikten und der Ungewissheit des Lebens zu stellen, kann etwas Großes erschaffen – einen „tanzenden Stern“. In der Metapher des tanzenden Sterns liegen poetische Kraft und Phantasie.
Kunst erfährt bei Nietzsche als einzig mögliche Sinnstifterin des Lebens eine zentrale Bedeutung. Wobei ästhetische Erfahrung bei ihm nicht nur erquickende Lebenszutat ist, sondern – als simultaner Vollzug von Sinnvernichtung und Sinnschöpfung – zur tragenden Lebenskraft avanciert. „Denn nur als ästhetisches Phänomen ist das Dasein und die Welt ewig gerechtfertigt.“2 Ohne Ästhetik und Kunst sind ein Sein und Tun nicht zu denken.
Zoon Politicos und Zoon Eroticos
In seiner niedlichen Form erscheint Eros – Gott der Liebe und der sexuellen Begierden – als geflügelter Jüngling. Mit Pfeil und Bogen trifft er die Herzen der Götter und Menschen und entfacht ihr Verlangen. In den frühen Mythen ist Eros jedoch eine kosmische Urkraft, die bereits vor den Göttern existierte. Er wird als ein aus dem Chaos hervorgehendes Prinzip beschrieben. Er verkörpert nicht nur romantische Liebe, sondern eine schöpferische…