Fotografie zwischen Frontlinie und Feed
Ein Gespräch mit Thomas DWORZAK über Kriegsjournalismus und Soziale Medien
von Annekathrin KOHOUT
In einer Welt, in der der Krieg auf Instagram live gestreamt wird und Selfies mit Panzern um Likes konkurrieren, fragt sich Magnum-Fotograf Thomas Dworzak, was von der klassischen Kriegsfotografie noch bleibt. Ein Gespräch über ikonische Bilder, moralische Verschiebungen, das Gefühl, überflüssig zu sein – und warum das Sofa manchmal der bessere Beobachtungsposten ist als das Frontgebiet.
AK Wann warst du das letzte Mal als Kriegsfotograf im Einsatz?
TD Libyen war mein letzter „richtiger“ Krieg. Danach war ich noch am Rand in Afghanistan und 2017 im Donbass. Ich war eine Woche vor Kriegsbeginn kurz in der Ukraine, habe mich aber dagegen entschieden, nach dem Ausbruch des Krieges dorthin zurückzukehren.
AK Warum?
TD Ich bin über 50. Ich bin 20 Jahre meines Lebens unter Putins Bomben gelaufen – mir reicht’s. Als ich anfing, war ich ohne Auftrag in Tschetschenien, einfach mit dem Ziel, Fotograf zu werden. Heute stehen tausende Fotografen auf der Brücke in Irpin. Vielleicht hatte ich auch Angst, nichts Neues beitragen zu können.
AK Hat sich dein Blick auf die Kriegsfotografie durch die Sozialen Medien und die schiere Menge an verfügbaren Bildern aus Kriegsgebieten grundsätzlich verändert?
TD Total. Früher war klar: Wenn ich oder keiner von uns Fotografen in Tschetschenien ist, dann gibt’s keine Bilder. Also war es wichtig, den Fall von Grosny zu fotografieren. Heute gibt es alles – Drohnenaufnahmen, Handyvideos, Live-Streams. Trotzdem bleibt oft das Gefühl, dass etwas fehlt. Vielleicht, weil…