Wiesbaden
Helen Frankenthaler
Move and Make
Museum Reinhard Ernst 16.03.–28.09.2025
von Reinhard Ermen
Die Arbeit findet am Boden statt, die Leinwand kommt von der Rolle, die Künstlerin schüttet die verdünnte Farbe auf das ungrundierte Gewebe, so dass der Stoff das Material aufsaugt. Farbe und Träger werden eins. „Soak-Stain“ (tränken-einfärben) heißt das Verfahren, das Helen Frankenthaler (1928 – 2011) Anfang der 50er Jahre entwickelt hat, es macht Schule in der jungen, revoltierenden Avantgarde. Frankenthaler ist eine von ihnen, ist glänzend vernetzt, wird wahrgenommen. Was Malerei ist, besser: sein kann, hat sie partiell neu definiert. Nicht nur der Pinsel, sondern auch „Rakel, Scheibenwischer und Schwämme“ (Douglas Dreishpoon) helfen ihr, die Wege der Farben zu organisieren, aber das sind jetzt eher unsichtbare Werkzeuge, sie stehen nicht mehr für die mutwillige Geste, für das malerische Ego. Frankenthaler experimentiert, aber sie lässt sich von ihrem Wagemut nicht überrollen. Dafür schleicht sie schon mal über die Leinwand, um das Werdende anzulegen und den Farbfluss zu beaufsichtigen; das Bild malt sich ja nicht von selbst. Erst nach dem Trocknen entscheidet sie, was gezeigt wird, auf den Keilrahmen kommt ein Ausschnitt. Wenn man so will, ist das die definitive Schlussredaktion, die Frankenthaler in letzter Minute auch revidieren kann, Sea Level (Meeresspiegel) hatte sie 1976 bereits auf der Rückseite signiert, um sich dann mit dem neuen, roten Richtungspfeil zu korrigieren. Aus dem Querformat wird ein Hochformat, was noch an ‚Landschaft‘, an ein ‚Seestück‘ mit transparent anrollenden Wellen erinnern mochte, wird zu einem aufrechten abstraktum, zu einem selbstbewussten Balanceakt.
In der Wiesbadener Retrospektive ist…