Isaac Chong Wai
Der Atem, so flüchtig wie das Leben
Ein Gespräch von Heinz-Norbert Jocks
Mit seiner Performance Falling Reversely (35’) auf der 60. Biennale von Venedig hat letztes Jahr der 1990 geborene, in Hongkong aufgewachsene Wahlberliner und Multimediakünstler Isaac Chong Wai, ( Performance, Video, Installationen, Zeichnung und Fotografie) die Herzen des Publikums erobert. Seine Performances basieren auf Recherchen zu Gewalttaten, die sich nicht nur gegen asiatische, insbesondere chinesisch-stämmige Migrant*-innen-Gemeinschaften in Europa und anderswo, sondern auch gegen queere Menschen richten. Zwischen der Choreografie und dem spontanen Akt suggeriert er, dass sich das Individuum und das Kollektiv vermischen. In seiner künstlerischen Arbeit untersucht Chong Wai die Verletzlichkeit des Körpers, die in sozialen Systemen inhärente Gewalt und die Folgen historischer Traumata und stellt sich alternative Mikrokosmen menschlicher Beziehungen vor. Dabei verfolgt er die Vision einer führer losen Gesellschaft in Bezug auf existenzielle Erfahrungen. Eine davon ist mit der Gedenkstätte Buchenwald verbunden, wo er ein „Date“ küsste und sich in die barbarische Zeit versetzte.
HNJ Wir sind uns erstmals 2014 in Moskau auf der 4. Biennale für junge Kunst begegnet.
ICW Ich erinnere mich noch gut an unser Gespräch vor meiner Arbeit zum Holocaust. Es war das Jahr, in dem sich viele um die Auswirkungen des russischen Anti-Homosexuellen-Gesetzes sorgten. Ich präsentierte meine Arbeit A Time for Dreams, hielt einen Vortrag im National Centre for Contemporary Arts und sprach über mein Date mit einem Mann in der Gedenkstätte Buchenwald, die Geschichte des § 175 in Deutschland und das damals aktuelle Gesetz, das die sogenannte „Schwulenpropaganda“…