Live-Tanz im White Cube
Aktuelle Tendenzen und künstlerische Positionen von Tanz, Choreografie und Bewegungen in Ausstellungen und Museen
von Katharina DE ANDRADE RUIZ
Seit Beginn des 21. Jahrhunderts ist das Interesse der Kunstwelt an den Aufführungskünsten und insbesondere am Tanz, seiner Geschichte, seinem Erbe und seiner Aktualität ungebrochen. Das Prozesshafte und Ephemere im Hier und Jetzt zieht an. Das Live-Erlebnis ist nach wie vor ein Publikumsmagnet und damit umso attraktiver für Museumsschaffende. Kurator*innen laden Choreograf*innen und Tänzer*innen ein, um Räume, die ursprünglich reinen Kunstobjekten vorbehalten waren, mit flüchtiger Tanzkunst zu bespielen. Was anfangs als Hype oder gar Obsession abgetan wurde,1 hat mittlerweile vor allem in zeitgenössisch orientierten Kunstinstitutionen einen hohen Stellenwert erlangt.
Die historischen Ursprünge finden sich schon im frühen 20. Jahrhundert, als Tänzer*innen wie Mata Hari und Isadora Duncan das Museum als bildungsbürgerliche Institution nutzten, um den modernen Tanz als eigenständige, freie Kunstform zu etablieren. Auch die Generation des amerikanischen postmodern dance mit Trisha Brown und Yvonne Rainer fand in den 1960er und 1970er Jahren in Museen und Galerien neue Räume für ihre Tanz- und Bewegungsexperimente. Merce Cunninghams Museum Event No. 1 (1964) im Museum des 20. Jahrhunderts in Wien, das heutige Belvedere 21, war noch lediglich eine einmalige Sonderveranstaltung, die nicht zum regulären Programm gehörte.2 Heute sind es ganze Ausstellungen und Performancereihen, die den darstellenden Künsten gewidmet sind. Produktionsund Entfaltungsmöglichkeiten werden zudem in Form von Tanzresidenzen an Museen eingerichtet.3
Was als performative Wende der Künste in den 1960er und 1970er Jahren bezeichnet wird und eine Annäherung der bildenden Kunst an Theater, Tanz…