Mire Lee – Zwischen Ekel und Anmut
Ein Gespräch von Anneli BOTZ
Mire Lee wurde 1988 in Seoul, Korea, geboren. Ihr Werk widmet sich dem Grotesken in der Welt. Maschinen, die Flüssigkeiten speien, Skulpturen, die wie Eingeweide von der Decke hängen, Abfälle, die den Ausstellungsraum mit einem schweren Geruch nach Öl füllen – es ist ein Fest des Abstoßenden und Grenzüberschreitenden. Und doch wohnt diesen Installationen eine fragile Schönheit inne. Etwas Leichtes, bei nahe Zärtliches. Die Skulptur wird bei Lee zum Stellvertreter des Menschen, in seiner ehrlichsten Form: deformiert, vergänglich, verletzlich. 2024 Jahr zeigte Mire Lee ihre Arbeiten in bislang größtem Maßstab – in einer Einzelausstellung in der legendären Turbinen halle der Tate Modern in London. Ein Ritterschlag für die 37-jährige Künstlerin. Heute treffen wir uns in ihrer Berliner Wohnung mit Blick auf den Landwehrkanal, wo sie für einige Monate lebt und arbeitet.
AB Ich sehe mir hier gerade einen Katalog mit den Werken des japanischen Künstlers Tetsumi Kudo an. Die Farben seiner Arbeit sind so fluoreszierend.
ML Als ich sein Werk zum ersten Mal gesehen habe, dachte ich: „Was ist das für ein Müll?“ Aber ich fand es wunderschön. Es ist interessant, über die Wertschätzung von hässlichen Dingen nachzudenken. Dass man sie erst wachsen lassen muss, wie ein Organ. Dann nennst du etwas ein „hässliches Herz“ und wertschätzt es dafür. Als ich seine Arbeiten zum ersten Mal sah, war ich einfach schockiert, wie schlecht die Arbeiten sie sind.
AB Aber genau das scheint dir ja zu gefallen.
ML Seine Kunst…