Nach Hause in die Fremde
Über die Geschichte chinesisch-stämmiger Künstler*innen in Paris
von Martina KÖPPEL-YANG
Diese auf das Eingeschlossensein des Einzelnen als Konsequenz der Politik während der Pandemie bezogenen Sätze des Soziologen Bruno Latour, welche die Beziehung des Individuums zu einer radikal veränderten Umwelt betreffen, möchte ich meinem Text voranstellen: Paris eine vielseitige Stadt der Kunst und Kultur mit ihren Museen, Galerien und Friedhöfen, die Menschen aus der ganzen Welt begeistert, ist wie kaum eine andere von den Fremden geprägt, die sich aufgrund einer radikalisierten politischen oder kulturellen Situation ihres Heimatlandes nach einer neuen Lebenswelt sehnen, dort im Laufe der Geschichte Station machten, lebten, arbeiteten und begraben wurden.
„Mit der Stadt ist es wie mit dem Termitenbau: Wohnstätte und Bewohner bilden eine Kontinuität – mit jener sind auch diese definiert. Die Stadt ist das Exoskelett ihrer Bewohner, denn diese lassen eine Wohnstätte hinter sich, wenn sie fortziehen oder verdorren, zum Beispiel, wenn man sie auf dem Friedhof begräbt …“
Seit dem 20. Jahrhundert sind Frankreich und Paris ein Anziehungspunkt auch für Künstler*innen aus China. Maler*innen wie Lin Fengmian (1900 – 1991), Xu Beihong (1895 – 1953) oder Pan Yuliang (1895 – 1977) hielten sich dort für eine Weile auf oder wurden Teil der dortigen Kunstszene.2 Zhao Wuji (1920 – 2013) und die in den 1980er und 1990er Jahren aus der Volksrepublik nach Paris Emigrierten machten die Fremde zu ihrer Heimat. Waren politische Rektifizierungskampagnen und Verfolgung im späten 20.Jahrhundert der Anlass dafür, zog es sie im frühen 21.Jahrhundert vor allem zum Studieren…