Pulheim-Stommeln
Olaf Nicolai
Ein ungedeuteter Traum ist wie ein ungelesener Brief
Synagoge Stommeln 22.05.– 21.09.2025
von Helga Meister
Olaf Nicolai ließ 2015 auf dem Dach des Deutschen Pavillons in Venedig Bumerangs produzieren, als Rückkehrhölzer. In der Synagoge in Stommeln geht es um Brieftauben als lebende Heimkehrer. Die Tiere spielen die Hauptrolle und werden von menschlichen Stimmen begleitet, im einstigen Gebetshaus der Juden sowie auf dem Vorplatz. Diese Performance hat eine lange Vorgeschichte im Leben des Künstlers, der 1962 in Halle / Saale geboren wurde und das Improvisieren seit DDR-Zeiten kennt. Er studierte Literaturwissenschaften, interessierte sich für den Strukturalismus und promovierte über die Wiener Gruppe um Ernst Jandl, Gerhard Rühm und all jene Pioniere, die die Sprache als optisches und akustisches Material einsetzten. Er wurde gleichsam ein Fachmann für Lautpoesie und visuelle Lyrik, die in seine eigene Kunst einfloss. So ließ er 2011 in Escalier du chant auf der großen Treppe in der Pinakothek der Moderne mehrere Vokalsolisten auftreten, die sich der zeitgenössischen Musik verschrieben hatten und ihren eigenen, freien, Gesang in völlig offenen Formen zum Besten gaben. Nun treten sie abwechselnd mit Sängern und Sängerinnen aus dem Rheinland auch in Stommeln auf.
Wie in seiner Jugend denkt Olaf Nicolai auch heute noch in Strukturen und Systemen, selbst beim Gesang ohne Noten und dem Taubenschlag. Alles scheint logisch aus seinen Erfahrungen und seinem Wissen entwickelt zu sein, als gelebte Kunst. Und doch ist es auch Spiel und Zufall. Dabei versucht er, den engen Raum mit den vier Wänden, auch den Raum der Synagoge, frei von…