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Fragen zur Zeit · von Michael Hübl · S. 42 - 46
Fragen zur Zeit ,

Fragen zur Zeit
Schnell, schnell

Der Wandel des Wahrnehmungsverhaltens, die Malerei und das dialektische Verhältnis einer Epoche zu langer Dauer
von Michael HÜBL

Ein weißer Jaguar, die Schnauze zur Straße gerichtet. Als sei sein Besitzer auf dem Sprung. Tempo, Tempo. Drinnen hingegen, im Haus, vor dem der Wagen steht, herrscht gemächliche Ruhe. Audioguides werden verteilt, denn Gljúfrasteinn, so heißt das Anwesen, ist ein Museum. Eines, bei dem man meint, die einstigen Bewohner seien nur mal eben fortgegangen. Es ist, als seien der isländische Dichter Halldór Laxness und seine Frau Auður Sveinsdóttir gerade spazieren oder irgendwo in der Nachbarschaft zu Gast. Eine hohe Standuhr verstärkt den Eindruck. Im Gleichtakt tickt sie vor sich hin, und dieses Ticken – so belehrt die Stimme im Kopfh örer – hat Laxness zu einer Passage seines Romans Das Fischkonzert angeregt: Der Waisenjunge Álfgrímur hört in dem rhythmischen Pendelschlag „das Wort e-wig, e-wig“. Mit der ersten Silbe geht es hin, mit der zweiten her. Hin und her, e-wig.1

Ein Vergänglichkeitsmotiv. Ähnlich wie die Sanduhr auf Albrecht Dürers Kupferstich Melencolia I und all die Stundengläser auf historischen Stillleben oder als Requisit allegorischer Skulpturen. Sie erinnern an die Hinfälligkeit der Lebewesen und die Endlichkeit der Dinge. Aber sie verweisen auch auf ein Spezifikum, das die Beschäftigung mit bildender Kunst und deren Rezeption in besonderer Weise tangiert. Denn: Was Malerei, Plastik, auch die Fotografie vermitteln, sind statische Bilder und Ansichten. Salvador Dalí hat zwar auf seinem Gemälde Die Beständigkeit der Erinnerung (1931) mit schmelzenden Chronometern das Verrinnen der Zeit illustriert, Umberto Boccioni…

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