Schöne neue Kunstwelt
Eine Einführung
von Annekathrin KOHOUT und Wolfgang ULLRICH
Soziale Medien sind tot. Der Satz taucht immer häufiger auf – in Essays oder Tweets, auf Panels. Gemeint ist damit kein plötzliches Ende, sondern ein Stimmungsbild: eine kollektive Erschöpfung. Die einstigen Verheißungen von digitaler Teilhabe, Vernetzung und kultureller Demokratisierung sind verblasst, überlagert von den Imperativen einer durchkommerzialisierten „Creator Economy“ und datengetriebener Plattformlogiken. Feeds wirken leer und redundant, Algorithmen bevormunden statt zu kuratieren, und der unaufhörliche Trendzyklus erzeugt einen paradoxen Zustand permanenter Überforderung bei gleichzeitiger Ereignisleere. Auch der Kunstbetrieb bleibt davon nicht unberührt. Es scheint, als finde eine kulturelle Zäsur statt – Zeit also, eine Bestandsaufnahme zu machen.
Soziale Medien haben die Art, wie Kunst produziert, präsentiert und konsumiert wird, grundlegend verändert. Der traditionelle Kunstbetrieb mit seinen Galerien, Museen und Feuilletons als Gatekeepern guten Geschmacks und künstlerischer Qualität sieht sich mit einer Popularisierung von Kunst konfrontiert, die sowohl befreiend als auch nivellierend sein kann. Die Infrastrukturen des Reagierens – Likes, Shares, Kommentare – haben eine Aufmerksamkeitsökonomie etabliert, in der es noch vor der ästhetischen oder inhaltlichen Qualität eines Werkes um dessen Eignung geht, unmittelbare Reaktionen hervorzurufen und vielseitig anschlussfähig zu sein.
Für viele Künstler *innen sind Soziale Medien zum wichtigsten Kontaktpunkt geworden, über den sie ihre Werke, Ideen und vor allem auch sich selbst präsentieren. Dort erreichen sie Kurator-*innen, Galerist *innen, Sammler *innen, Käufer-*innen, Autor *innen, andere Künstler *innen sowie ihr Publikum. Je mehr Follower und Engagement sie auf sich ziehen, desto sichtbarer werden sie in der Kunstszene, woraus sich Ausstellungen, Rezensionen oder Verkäufe…