Bremen
Sibylle Springer
Ferne Spiegel
Kunsthalle 30.08.2025–11.01.2026
von Rainer Unruh
Die Blume hat schon bessere Zeiten gesehen. Gewiss, da leuchtet noch an einigen Stellen ein rauschhaft intensives Rot, aber um die Blüte herum zerbricht bereits die Oberfläche. Moder hat die Stempel erfasst, Schimmel macht sich breit, die Form franst an den Rändern aus. Und doch: Was für ein Reichtum im Verfall, welche morbide Harmonie der Farben, wie raffiniert die Schichtung der Texturen! Sibylle Springer (* 1975) hat für ihre große, acht Meter lange Bodeninstallation The very long story (2025) mit Textilien gearbeitet, Wolle, Seide, Mohair und vieles mehr kunstvoll verknüpft. Und doch denkt man beim Anblick dieser Stoffblume an Malerei. An barocke Stillleben, die den Glanz des Augenblicks festhalten, aber uns auch stets daran erinnern, dass alle Pracht auf Erden ein Ende hat. Kein Zufall, denn die Vergänglichkeit ist eines der zentralen Themen der Bremer Ausstellung Ferne Spiegel. Sie ist der rote Faden, der sich durch die unterschiedlichen Werkgruppen zieht. In Nachbarschaft der Installation hängen zwei großformatige Bilder. Der Grundton von Levitation und Floating, beide 2025 entstanden, ist ein cremiges Weiß, aus dem zart aus der Farbe herausmodellierte Blüten in pastelligen Farben hervortreten. Eine Feier des Lebens, ein Fest der Malerei. Aber auch hier deutet sich die Zerbrechlichkeit alles Daseins an. Die Leinwand ist großflächig perforiert. Es ist, als würde man nicht nur durch den schönen Schein der Oberfläche schauen, sondern auch in eine Zukunft, in der alles zerfällt. Dieser Pessimismus steht im Kontrast zur Ideologie der digitalen Welt. Sie feiert das ewige…