Hamburg
States of Rebirth
Körperbilder in Bewegung
Deichtorhallen / Phoxxi 21.02.–17.08.2025
von Rainer Unruh
Die Narbe ist unübersehbar. Unterhalb des Haaransatzes und neben dem Ohr verläuft eine hellrote Linie, die ein Oval umschließt. Es ist der Abdruck einer Glasflasche, mit der vor zehn Jahren in der Straße Unter den Linden ein Unbekannter auf Isaac Chong Wai einprügelte. Der in Berlin (und Hongkong) lebende Künstler ging zu Boden. Seitdem beschäftigt er sich mit dem Fallen. Und mit dem Aufstehen. Die Wundmale und die Rückgewinnung der aufrechten Haltung erinnern an die christliche Ikonographie im Zusammenhang mit der Wiederauferstehung Christi. Aber es gibt einen wesentlichen Unterschied: In den Fotos von Isaac Chong Wai rettet uns kein Gott, sondern die Zuwendung der Mitmenschen. Deshalb dauert es, bis Selbstbewusstsein und Vertrauen in den Körper wieder hergestellt sind. Es ist ein Prozess, den der queere Künstler mit all seinen Umwegen in der Serie Falling Reversely – Collective Fall 1 (2022) eingefangen hat.
Isaac Chong Wais Arbeiten leiten die Schau States of Rebirth ein, den zweiten Teil der Reihe Viral Hallucinations, die im vergangenen Jahr mit dem Duo Andrea Orejarena & Caleb Stein [siehe KUNST FORUM, Bd. 299] eröffnet wurde. Diesmal sind neun zeitgenössische Positionen vertreten. Kuratorin Nadine Isabelle Henrich hat sich erneut für ein Ausstellungsdesign entschieden, das die Arbeiten nicht nur an den Wänden verteilt, sondern sie in den Raum hineinholt. Dabei entstehen Resonanzen zwischen dem sich durch das Untergeschoss windenden durchlässigen Vorhang aus Metallketten und den wellenförmigen Bewegungen der Körper auf Fotos und in Filmen. In der 3-Kanal-Videoinstallation Instruction…