Frankfurt am Main
Undermining the Immediacy
Museum für Moderne Kunst, MMK Tower 08.03.–24.08.2025
von Ellen Maria Wagner
In Immediacy. On the Style of Too Late Capitalism (2024) diagnostiziert die Literaturwissenschaftlerin Anna Kornbluh ein Bedürfnis unserer Gegenwart nach einem „Jetzt“, das sich ohne jede mediale Vermittlung und Verzögerung konsumierbar zeigen soll und damit auch das Nachdenken über Vergangenheit und Zukunft erübrigt. Undermining the Immediacy im Frankfurter MMK Tower adressiert nun genau jenen Gegenimpuls, nicht alles sofort erfahren und sekundenschnell gelöst haben zu wollen. Dabei greift sie eine Verkettung ökologischer und dekolonialer Herausforderungen auf, deren Hindernisse nicht zuletzt darin liegen, dass Machtstrukturen nachhaltig fortbestehen und somit Widerständigkeit weit über den Moment und die Oberfläche des Engagements hinaus nötig ist, um diese zu destabilisieren.
Eine zentrale Arbeit der Ausstellung ist Atiéna R. Kilfas Projektion Rotor Vector (2024). Sie zeigt einen weißen alten Herrn mit stechendem Blick: eine Mischung aus Hitchcock, Churchill und dem Paten. Langsam schwenkt die Kamera von links nach rechts und zurück, während wir auf eine im Lauf der Sequenz zunehmend verflachende Silhouette blicken. Dabei wird nicht nur sichtbar, dass es sich um einen Pappkameraden, eine Illusion von Dreidimensionalität handelt, die Realität der Einstellung steht vielmehr insgesamt infrage: In einer gläsernen (?) Teetasse befindet sich eine unsichtbare Flüssigkeit, Wasser (?), in dem die Bläschen beim Linksdreh der Kamera nach unten perlen. Die Szene wurde offenbar nur in eine Richtung aufgenommen: modellierte Wirklichkeit (?) im Rückwärtsgang. Die Umkehrung der zeitlichen Lesrichtung macht kleinste Regungen sichtbar, die zuvor unbemerkt blieben. Das Statuarische mehr als das Statische…