Essay
Wird die Kunst zu Tode geliebt?
Erster Teil der neuen Serie:
Über Veränderungen in der Kunstwelt.
Ein Gespräch zwischen Roland SCHAPPERT und Wolfgang ULLRICH
WU Wir haben uns vorgenommen, über einige aktuelle Veränderungen in der Kunstwelt zu sprechen. Ausgehen wollen wir davon, dass in letzter Zeit immer wieder Stimmen laut wurden, vor allem von Kurator *innen, die einen nostalgischen oder im Extremfall verbitterten Blick zurückwerfen, weil sie die Entwicklungen der Kunstwelt für Fehlentwicklungen halten. Ein Beispiel dafür ist Daniel Baumann, der lange die Kunsthalle Zürich geleitet hat und jetzt mit gewissem Medienaufsehen von seinem Job zurückgetreten ist. Er hat das in einem Text sowie in einem Radiointerview damit begründet, dass der Job des Kurators sehr anstrengend, ja überfordernd geworden sei.1 Egal, was man mache, man mache immer etwas falsch. Man habe einen Diskurs verpasst und bekomme einen Shitstorm, oder man habe auf etwas keine Rücksicht genommen und werde kritisiert. In dem Interview sagt er sinngemäß, es sei früher, in den 90er Jahren und auch noch danach, viel schöner gewesen, denn da habe sich fast niemand für Kunst interessiert. Daher sei man völlig frei gewesen. Diese Freiheit und das Spielerische, das damit verbunden war, vermisst er heute. Und er meint, so gehe es vielen Kuratorinnen und Kuratoren. Man könnte nun sagen, es wird offenbar zum Problem, dass die Kunst mittlerweile ein viel größeres Publikum hat, auch viel sichtbarer geworden ist. Ganz unterschiedliche Milieus und Leute wollen heutzutage etwas von ihr, suchen Nähe zu ihr. Und während man das ja auch als gute Entwicklung…