60. Venedig Biennale: Deutscher Pavillon eröffnet
Die 60. Ausgabe der Biennale di Venezia ist gestartet und mit ihr eröffnete auch der Deutsche Pavillon.
Die 60. Ausgabe der Biennale di Venezia ist gestartet und mit ihr eröffnete gestern der Deutsche Pavillon. Die diesjährige Kuratorin Çağla Ilk lud gleich sechs Künstler*innen unter dem Titel Thresholds (dt. Schwellen) ein. Thresholds als Schwellenräume, die einer paradoxen Ordnung des Dazwischen unterliegen. Erstmals wird der Deutsche Beitrag dabei nicht nur auf dem Gelände der Länderpavillons in den Giardini gezeigt, sondern bewegt sich in räumlicher Erweiterung über die Grenzen hinweg auf die benachbarte Insel La Certosa. Doch auch die Schwelle des Eingangs thematisiert Thresholds im Pavillon ganz direkt, indem das Hauptportal durch einen großen Erdhaufen versperrt wird und die Besucher*innen so über den Seiteneingang ins Gebäude eintreten müssen.
In die wuchtige, auf Ewigkeit ausgerichtete Architektur des Pavillons setzt Ersan Mondtag einen brutalistischen Turm, das Monument eines unbekannten Menschen, so der Titel, ausgestattet mit Arbeits- und Wohnräumen auf drei Etagen. Mondtags Bezugspunkt ist die Geschichte seines Großvaters Hasan Aygün, der in den 1960er Jahren aus Mittelanatolien nach Westberlin kam, sich dort durch die Arbeit in den Fabriken der Asbest-Firma Eternit eine Existenz aufbaute und an den Folgen dieser Arbeit starb. Gemeinsam mit fünf Performer*innen erzählt der Künstler in der “archäologisch anmutenden Lebenslandschaft” bedeckt mit Staub und Schutt die Fragmente einer Biografie: Arbeitswelt, Fabrik, Wohn- und öffentlicher Raum.
Mit ihrem fortlaufenden Projekt Light to the Nations aus installativer Videoanimation und Skulptur zeichnet Yael Bartana im Deutschen Pavillon eine postapokalyptische Science-Fiction Utopie und Dystopie gleichermaßen. Benannt nach einer Passage aus dem Buch Jesaja bringt ein von der Künstlerin entworfenes Raumschiff mehrere Generationen von Menschen zu unbekannten Galaxien. Der gegenwärtigen Realität des Planeten Erde am Rande der ökologischen und politischen Zerstörung entfliehend, bricht die bemannte Weltraumarche auf, um außerhalb unseres Sonnensystems eine neue Kolonie zu gründen. In der Absis des Pavillons, dort wo 1940 die NS-Heldenskulptur Arno Brekers stand, zeigt Bartana die Videoarbeit Farewell.
Den wörtlichen Brückenschlag von dem monumentalen und historisch belasteten Gebäude des Deutschen Pavillons in den Giardini zur Insel La Certosa wagen Michael Akstaller, Nicole L’Huillier, Robert Lippok und Jan St. Werner. Die klangvollen Werke der Künstler*innen auf der Insel fordern die Besuchenden auf bewusst die Gegenwart und die umgebene Natur wahrzunehmen. Trotz der örtlichen Grenze, schafft das kuratorische Konzept einen Resonanzraum zwischen den beiden Standorten.
Robert Lippok beschallt in seiner Soundarbeit Feld die Insel mit zahlreichen Subwoofern die aus der Erde ragen. Bebend ist seine Arbeit ein Verstärker der Schichten, die unter dem Gras verborgen liegen. Weiterer Klang ertönt von Jan St. Werners Arbeit Volumes Inverted, ein Lautsprecherinstrument, welches speziell für die Klosterruine auf La Certosa entwickelt wurde. Der “Klangstrahl”, der im Dialog zu einem weiteren Lautsprecher auf der anderen Seite der Lagune zur Insel zurückgeworfen wird, schafft einen akustischen Austausch und Dualismus der Verortung von Insel und Lagune. Encuentros heißt die Installation von Nicole L’Huillier auf La Certosa. Ihre Arbeit fungiert als Sender-Empfänger-System aus klangsensiblen Membrane die in Kommunikation mit der Umwelt auf der Insel treten und die Klänge in variierende Frequenzen wiedergeben. Michael Akstallers Arbeit Scattered by the Trees wiederum untersucht das Klanggefüge innerhalb vielstimmiger Ökosysteme und inwieweit “Bäume und Wälder die Parameter für unsere Wahrnehmung von Klang mitbestimmen.”