Candice Breitz würdigt Esther Bejarano

7. Oktober 2025 · Aktionen & Projekte

Die von Candice Breitz konzipierte Revue „A Song for Esther“, bestehend aus ihrem Video und ihren Briefen an Esther Bejarano, die sie zwischen den Musikeinlagen internationaler Künstlerinnen und Künstler unterschiedlicher Genres vorlas, wurde am 4.10. im vollen Saal auf Kampnagel mit großem Applaus belohnt. Joanna Warsza, Stadtkuratorin in Hamburg, hatte Breitz eingeladen, an dem von Esther Shalev-Gerz und Jochen Gerz 1983 konzipierten „Mahnmal gegen den Faschismus“ in Hamburg-Harburg eine performative Arbeit zu realisieren. Breitz beschäftigt sich seit 2023 intensiv mit der Biografie der engagierten Antifaschistin und Shoah-Überlebenden Esther Bejarano, die als Esther Loewy in Saarlouis 1924 geboren und 2021 in Hamburg gestorben ist. Breitz wollte Bejarano mit einem großen Konzert ehren, wofür Kampnagel unter der Leitung von Amelie Deuflhard besser geeignet war. Es war das erste Engagement für die jüdische, aus Südafrika stammende Künstlerin im Auftrag einer deutschen Kulturinstitution, nachdem ihre Einzelausstellung im Saarlandmuseum in skandalöser Weise 2023 abgesagt worden war, weil sie die Palästinenserpolitik Israels hart kritisiert hatte. In liebevollen und poetischen Briefen an Esther Bejarano imaginiert Breitz in „A Song for Esther“ Träume, in denen sie mit Bejarano über deren bewegtes Leben spricht. Ein methodischer Kniff, sowohl Bejaranos Leben auszubreiten wie auch die Konflikte beider als kritische Jüdinnen im Täterland zu behandeln. Absurderweise war auch Bejarano ebenso wie Breitz für ihre israelkritische Haltung mit dem Vorwurf des Antisemitismus konfrontiert gewesen. Die Shoah überlebt hat Esther Bejarano vor allem, weil sie Aufnahme in das sog. „Mädchenorchester“ in Auschwitz fand, da sie auf dem Akkordeon den Kriegsschlager BEL AMI spielen konnte. Jeweils zwischen den durch Breitz gelesenen Briefen bekam das Publikum 16 unterschiedliche Interpretationen von BEL AMI zu hören: jazzig, rockig, punkig, klassisch, fragmentiert und neu zusammengesetzt und auch mal mit neuen politisierten Versen ergänzt, in denen auch das Ende des Genozids in Gaza gefordert wurde. Zahlreiche internationale Musikerinnen und Musiker, darunter Aeham Ahmad, Joram Bejarano und Microphone Mafia, Chicks on Speed, Daniel Kahn, Dejan Jovanović und Oana Cӑtӑlina Chiṭu, Peaches, Lili Sommerfeld und viele andere Einzelkünstler*innen und Ensembles waren daran beteiligt. Sowohl Joanna Warsza wie Amelie Deuflhard gebührt Dank für ihre Courage, die Tradition des Cancelns von Candice Breitz in diesem Land endlich durchbrochen zu haben.

(Matthias Reichelt)


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