Entdeckermesse Art Antwerpen mit gelöster Stimmung gestartet
Von Julia Stellmann
In Antwerpen hat sich in den letzten Jahren rund um Museen und Galerien vor allem im Süden der Stadt eine lebendige Kunstszene entwickelt. Dazu passend startete gestern die vierte Ausgabe der Art Antwerpen (12.-15. Dezember), die ein Ableger der Art Brüssel ist. Sie rundet das Messejahr ab und lockt zu einem letzten Ausflug vor Weihnachten nach Belgien. Messeleiterin Nele Verhaeren hebt die reiche Sammlertradition der Stadt hervor und berichtet, dass im 16. Jahrhundert ganze 90 Prozent der Haushalte in Antwerpen mindestens ein originales Kunstwerk besaßen. Eine Tradition, die sich angesichts der noch heute bestehenden belgischen Sammelleidenschaft fortgesetzt hat. Zudem fördert die Region Flandern ganz gezielt die eigene Kunstlandschaft. So kann die Stadt zur Messe nicht nur mit Weihnachtsmärkten in der historischen Innenstadt, sondern auch mit hochkarätigen Ausstellungen sowie einem VIP-Programm mit u.a. Besuchen in Privatsammlungen aufwarten. Nicht sonderlich überraschend, dass die Laune am ersten Messetag bei Beteiligten sowie Publikum entsprechend gut war.
Einen Dämpfer gab es aber scheinbar doch: Obwohl zum Start der Art Antwerpen 2021 überraschend viele internationale Galerien an der Messe teilnahmen (was sich vermutlich auf die Pandemie zurückführen lässt), hat sie sich mit ihrer vierten Ausgabe zu einer Regionalmesse entwickelt. Zwar nehmen 70 Galerien aus 11 Ländern teil, ist aber die Hälfte davon belgischen Ursprungs. Es folgen hauptsächlich Galerien aus den Niederlanden, Frankreich und UK. Deutsche Galerien finden sich mit drei an der Zahl deutlich weniger als noch im vergangenen Jahr. Die Regionalität der Messe ist allen Beteiligten durchaus bewusst. Sowohl die Messeleitung als auch die Galerien berichten, dass eine Teilnahme vor allem der Kontaktpflege mit der hiesigen Sammlerszene dient. Viele Galerien passen ihr Programm dementsprechend an und stellen belgische Positionen aus. Der Fokus auf die Region mindert aber nicht die Qualität der Messe. Im Gegenteil lässt die intime Größe einen besonderen Fokus auf die eingeladenen Galerien zu, welche anders als bei der Art Brüssel freie Hand bei der Konzeption ihrer Stände erhalten – Verhaeren beschreibt es als Carte Blanche. Die Solopräsentationen werden besonders hervorgehoben.
Die Messe in Antwerpen ist – ähnlich wie vormals die Art Brüssel – eine Entdeckermesse, auf der sich so manche Perlen finden lassen. Besonders auffällig ist dabei nicht nur die Menge, sondern auch die Qualität der ausgestellten Malerei. Das zeigt sich zum Beispiel anhand der poetischen Bild-Text-Kombinationen von Gideon Kiefer bei der Kölner Galerie Martin Kudlek sowie bei Barbé aus Gent. Mit einer Solopräsentation von Dittmar Viane bestehend aus altmeisterlich gemalten Schmetterlingen auf gerahmter Baumrinde und einem Triptychon mit Windhund vor Zirkuszelt weiß auch Plus-One aus Antwerpen zu überzeugen. Die Partnergalerie Sofie Van de Velde eröffnet dagegen mit kleinformatigen Porträts von Felix De Clercq, die von Beginn der Messe an sehr begehrt schienen. Ein weiteres Highlight bilden Patrick Van Caeckenberghs animalische Bewegungsstudien bei Keteleer aus Antwerpen sowie die berührenden, in Grauschleier getauchten Großformate von Laura Limbourg bei der Wiener Galerie Suppan. Wer ganz genau hinschaut, kann innerhalb der wohl kuratierten Gruppenschau bei der Londoner Galerie Copperfield sogar eine echte Perle in Ada M. Pattersons feingliedriger Arbeit entdecken.
Verkäufe scheinen ebenfalls gut zu laufen, fanden sich doch bereits nach wenigen Stunden zahlreiche rote Punkte neben den Ausstellungsstücken, so waren beispielsweise Vianes zwischen 6.500 und 9.000 € kostenden Malereien zum Großteil verkauft oder reserviert. Den Urgesteinen der belgischen Kunstszene De Zwaarte Panther und Albert Baronian zollt die Messe in diesem Jahr besonderen Tribut. De Zwarte Panter zeigt gleich drei Solostände nebeneinander mit Arbeiten u.a. von Fred Bervoets. Baronian wird mit einem kostenfreien Stand und Abschiedsgruß für sein Engagement für die belgische Kunstszene gedankt, da es sich um die letzte Präsentation der Brüsseler Galerie auf einer Messe handelt. Die 1973 gegründete Galerie wird zum Ende des Jahres 2024 ihren Betrieb einstellen. Dazu passt die persönliche Note des auf der Messe präsentierten Programms u.a. mit Mekhitar Garabedian, dessen Großvater im syrischen Aleppo auf den vor dem armenischen Genozid flüchtenden Vater von Baronian traf. Letzterer immigrierte nach Antwerpen und musste während der Bombardierung der Stadt im Zweiten Weltkrieg nach Brüssel umziehen, wo schließlich Albert Baronian zur Welt kam.
Ein Großteil der Galerien setzt auf Formate, die auch für den kleinen Geldbeutel erschwinglich sind und bei Preisen ab 1.000 € beginnen. Es finden sich aber auch hochpreisige Werke, vor allem bei Guy Pieters aus Knokke oder der in Paris und New York ansässigen Galerie Lelong & Co., welche beispielsweise Blumenstillleben von David Hockney sowie einen Wandteppich von Kiki Smith zeigt. Der Trend hin zur Malerei und weg von Videokunst, der bereits auf anderen Messen zu beobachten war, setzt sich auch in Antwerpen fort. Passend zur Rückkehr des Handwerks blitzen Textilarbeiten auf und lassen sich wiederkehrend deutliche Bezüge zur belgischen Malereitradition erkennen. Raumgreifend arbeiten vor allem Vriend van Bavink aus Amsterdam mit einer Solopräsentation von Klos Buster, der einen Shop samt Wasserspender und Steckdosen aus Keramik in der Booth inszeniert, oder Harlesden High Street aus London. Ihre Präsentation von verspiegelten und fragmentierten Einrichtungsgegenständen von Alex Farrar und Benjamin Francis wurde als bester Stand gekürt. Der von einer vierköpfigen Jury (u.a. Maurice Funken, Direktor des Neuen Aachener Kunstvereins) vergebene und mit 3.000 € dotierte Preis wurde in diesem Jahr zum ersten Mal ausgelobt. Die Messe läuft noch bis Sonntag.
Dazu in Band 274 erschienen: