Die Graffiti Anarchie
Ein Gespräch mit Marc-Aurèle VECCHIONE (alias OREL) von Heinz-Norbert JOCKS
Paris ist auch ein Zentrum der illegalen Graffiti-Szene und so etwas wie ein Nestbeschmutzer, und Graffiti1wie ein Dauerflieger, der zur Sesshaftigkeit gezwungen wird, sobald er in Galerien oder Museen gezerrt wird. Draußen auf Mauern, in den Schächten der Metro und auf deren Zügen subversiv und von begrenzter Lebensdauer, wird es, kaum im Kunstkontext gelandet, in die Schublade von „Street Art“ gepresst. Der 1972 in Paris geborene Dokumentarfilmregisseur Marc-Aurèle Vecchione (alias Orel), ein Insider der Szene, der sich in den späten 1980er Jahren als aktiver Graffiti-Künstler den Chasseurs de skin (Skinjägern) anschloss und später die École nationale supérieure d’architecture besuchte, ist bekannt als Orel, der nie zu sprayen aufgehört hat. Ihm und der Gruppe Grim Team verdanken wir das Graffiti Fluctuat nec mergitur („Sie wird von den Wellen hin und hergeworfen, sinkt aber nicht“), das nach den Anschlägen vom 13. November 2015 auf einer Palisade an der Place de la République erschienene Motto der Stadt Paris. Orel, der für ARTE die Filme Writers 1983–2003 (2004) und Antifa, Jäger der Skins (2008) produzierte, befasste sich darin auch mit den antifaschistischen, in den 1980ern in Paris aktiven Gruppen.
HNJ Wie denkst du darüber, wenn die Rede von Paris als Europas neue Kunstmetropole ist?
MAV Das ist interessant, aber auch überraschend. Das Gesicht von Paris hat sich seit COVID verändert. Es gibt eine unzufriedene Jugend, die aufrütteln will, was auf der Straße zu spüren ist. In meinem Freundeskreis ist Berlin mehr im…