Kortrijk
Faith No More
Rituals for Uncertain Times
Abby 24.10.2025–01.03.2026
von Julia Stellmann
Zwei Performer*innen bewegen sich in der hohen Kapelle aus dem 16. Jahrhundert wie in Zeitlupe; küssen, streicheln, liebkosen einander. Zwar in moderne Kleidung gehüllt, scheinen sie mittelalterliche Bildthemen zu reinszenieren. Die „Live Works“ von Tino Sehgal wechseln dreimal am Tag, finden über die Dauer der gesamten Ausstellungslaufzeit statt, werden auch ohne Publikum ungesehen fortgeführt. Sie sind Teil der Ausstellung Faith No More. Rituals for Uncertain Times im neuen Museum Abby im Belgischen Kortrijk, dass erst in diesem Jahr in der historischen Groeninge-Abtei Eröffnung feierte. Nach dem Kapellenbesuch steigt das Publikum hinab in den Untergrund. Dort spaltet sich der Weg auf, erfordert eine Richtungsentscheidung. Auf der linken Seite lockt in der Ferne das dunkle Nothing of the Cross (smoke) von Thierry De Cordier, überschrieben mit „Inferno“. Der nach rechts gewandte Blick trifft dagegen auf das lichte Crucifix von Luc Tuymans mit der Überschrift „Arcadia“. Beides gleichermaßen verlockend, entscheidet sich der im Zwiespalt befindliche Besuchende vielleicht zuerst für den Gang in die Hölle.
Auf dem Weg zu De Cordiers Nada aber tun sich weitere Entscheidungsmöglichkeiten auf, fühlt man sich wie im verwinkelten Labyrinth begriffen. Die Erschaffung des Menschen erzählt vom Anbeginn der Welt, windet sich als Bildthema durch die Jahrhunderte von Michael Wolgemut (1493) über Lucas Cranach (1528 / 30) bis Man Ray (1924 / 25). Erst das irisierende Gemälde Last Days of Summer (2022) von Marcella Barceló bricht mit der Dichotomie von Mann und Frau, zeigt drei Figuren unter goldenem Himmelszelt. Dieses…