vorheriger
Artikel
nächster
Artikel
Titel: Feuer-Werke. Kunst in Flammen · von Isa Bickmann · S. 45 - 47
Titel: Feuer-Werke. Kunst in Flammen ,

Feuer-Werke

Brand, Rauch und Explosion in der Gegenwartskunst
herausgegeben von Isa BICKMANN

Die hypnotische Faszination, die von loderndem Feuer ausgeht, das sich durch das Holz frisst, genießen wir vor einem Lagerfeuer oder dem Kamin. Feuer gibt nicht nur Licht und Wärme, es kann rauchen, knistern, knallen, explodieren.

Feuer hinterlässt Spuren, die gestalterisch – absichtsvoll oder den Zufall einbeziehend – genutzt werden können und dabei spielerische Anregungen in sich tragen. Feuerwerke sind ephemere Gebilde, Gesamtkunstwerke. Es entstehen Soundpieces. Als vormodernes Element erlebt das Feuer in der Gegenwartskunst eine ungebrochene Aktualität, appelliert es doch an Emotionen, die mit dem Menschsein eins sind und zu denen jede und jeder alle Welten, Epochen und Grenzen überwindende Bilder hat. Feuer ist immer auch Spektakel – und damit vielleicht das Material und Medium, das am besten unsere nach Sensation gierende Zeit repräsentiert. Hinter dem Umgang mit der zeitbasierten Kraft des Funkenschlagens verbirgt sich eine Lust an Materialverschwendung und Zerstörung, aus der auch eine schöpferische Kraft gezogen werden kann.

Helmut Draxler hat 1987 mit dem Band 87 des KUNSTFORUM International Das brennende Bild. Eine Kunstgeschichte des Feuers in der neueren Zeit eine grundlegende, kunst- und kulturhistorisch fundierte Aufarbeitung des Themas geliefert. Der Autor konzentrierte sich auf die Erscheinungsformen des Feuers in der Kunst in den drei übergreifenden Kapiteln Flamme, Asche, Glut. Der diesem nun nachfolgende Themenband versteht sich als Aktualisierung und Ergänzung, unter anderem mit dem verstärkten Blick auf das Nutzen des Feuers durch Künstlerinnen. Nach Draxler hat Ann-Katrin Günzel 2022 das Element Feuer als landschaftsbildendes Motiv bei Jessica Arseneau, Johanna Reich, Adrien Missika und Angelika J. Trojnarski für den KUNSTFORUM-Band 284 Arkadien in der Krise aufgegriffen und mit Julius von Bismarck ein Gespräch geführt, dessen Fire with Fire auf dem Titel abgebildet wurde. Hier wurde herausgestellt, dass das Feuermotiv vor allem im Hinblick auf Themen rund um die drängende Klimakrise an Aktualität gewonnen hat.

Feuer wird zum Sinnbild dessen, was der Mensch der Natur antut und was die Natur sich zurückholt, denn nach jedem Feuer gibt es einen Neuanfang.

Die starke Präsenz von Flammen, Rauch und Explosionen in der Gegenwartskunst wird im vorliegenden Band unter verschiedenen ikonologischen, ökokritischen und politischen Aspekten untersucht. Im Fokus des einführenden Essays von Isa Bickmann steht das vielfältige Potenzial des Feuers als Objekt, Material und Zeichen. Ursula Grünenwald beschäftigt sich mit dem politisierten Feuer im Kontext postkolonialer Themen. Gunnar Schmidt beleuchtet den Auto- Fetisch unserer Gesellschaft und wie durchweg männliche Künstler das Objekt der „phallischen Überlegenheit“ in der Kunst in Flammen aufgehen lassen. Dagegen stehen Künstlerinnen, die sich die Macht über das Feuer seit den 1960er Jahren als Handelnde angeeignet haben, im Zentrum des Beitrags von Isa Bickmann. Eine Bildstrecke widmet sich mit Maya Hottarek, dem Kunstkollektiv PARA sowie einer kohabitären Raum installation von Haegue Yang und Apichatpong Weerasethakul der physischen Kraft des Glühens und Verbrennens. Susanne Witzgall geht dem Feuermotiv im Hinblick auf die Bedrohung von Ökosystemen und als Resultat des „Racial Settler Capitalism“ bei micha cárdenas und dem Karrabing Film Collective nach.

Die Künstlerin und Feuerwerkerin Sandra Kranich verdeutlicht im Gespräch, was Feuerwerk mit der Zeichnung gemeinsam hat. Von David Claerbout, der Flamme und Feuerball als eine Architekturform zu durchdringen sucht, ist zu erfahren, wie Feuer das Paradoxon der Wahrnehmung erfüllt. Stein Henningsen zeigt die nahe Verwandtschaft von Feuer und Eis auf und erklärt, wie es ist, mit Feuer zu performen, und Julian Charrière legt dar, warum das Element Feuer so wichtig ist in seinem Werk und warum er von einer „Krise des Lebenden“ spricht.