Iiu Susiraja
Erbarmungslos
von Larissa KIKOL
‚Ehrlich‘ wäre nicht genug, um die Fotografien von Iiu Susiraja zu beschreiben. ‚Erbarmungslos‘ passt in ihrem Fall besser. Die finnische Künstlerin arbeitet an leicht bekleideten Selbstportraits in wohnlichen Kulissen, bestückt mit Lebensmitteln, unpassenden Accessoires und Objekten. Ihre Bildwelt erscheint surreal, ein Misch aus grotesker Erotik, aus unheimlicher Häuslichkeit, gepaart mit spielerischem Witz, Ironie, und bewundernswerter Konsequenz. Iiu Susirajas Gewicht, ihre Körperformen, die Cellulite sowie ihre Hautflecken spielen dabei eine ent scheidende Rolle. Nichts wird versteckt. Im Gegenteil, erbarmungslos wird alles offengelegt.
Susiraja bat darum, dass dieser Artikel nicht gänzlich durch ein Interview gefüllt werde. Stattdessen solle ich selbst auch meine Perspektive auf ihre Arbeit offenlegen. Ihrem Wunsch ging ich nach, und beginne diesen Text mit meinen eigenen Gedanken. Ich versuche ihre Arbeit zu greifen, einzuordnen und frage mich, was sie bei den Betrachter*innen, also auch bei mir, auslöst. Iiu Susirajas Fotografie ist eine inszenierte Fotografie, die nicht vorgibt, dokumentarisch oder spontan zu sein. Somit sind ihre Selbstportraits auch das Gegenteil von Selfies. Letztere sind zwar oft auch inszeniert, aber das typische Selfie versucht dies zu verbergen und stattdessen improvisiert zu wirken. Dabei soll der Großteil der Selfies, die auf den sozialen Medien geteilt werden, die Wahrheit übertrumpfen. Sie sind eine ästhetische und inszenierte Formulierung von Idealbildern, die digital geformt werden können, ohne dass sich das echte Leben dazwischen stellt. Ihr Dogma spielt sich in Superlativen ab: Gute Laune, Sportlichkeit, Gesundheit, Schönheit und das Von-Anderen-Geliebt-Werden sind Werte, die das Ideal-Selbst bestimmen, nicht nur von Models wie Heidi…