Pyrofeminismus
Performative Pratiken im Zeichen des Feuers
von Isa BICKMANN
In der griechischen Mythologie ist es Hestia, im römischen Götterkreis gilt Vesta als Hüterin des Herdes und Bewahrerin des Tempelfeuers. Deren Jungfräulichkeit ist mit dem patriarchalen Bild von der keuschen Ehefrau verknüpft, die das heimische Feuer zu bewachen hat.1 So kann das seit den 1960er Jahren in der Hand von Künstlerinnen explosiv, lodernd, auffressend, zerstörend und gestaltend auftretende Feuer als Ausdruck einer rebellischen Haltung gegen gesellschaftliche Machtverhältnisse verstanden werden, während es zugleich alte spirituelle Rituale aufruft. Wie Zauberinnen, die das Trauma der Hexenverbrennungen umkehren, nutzen Künstlerinnen die aufsehenerregende Gestalt und Vitalität von Rauch und Flammen. Zwischen Kontrolle und dem Ausbrechen daraus pendelt das Spiel mit dem Feuer. Die Argentinierin Marta Minujín verbrannte 1963 im Pariser Impasse Ronsin, wo schon Niki de Saint Phalle 1961 auf ihre Bilder „gefeuert“ hatte, bei dem Happening La Destrucción ihre bis dahin entstandenen Werke und lud weitere Künstler*innen zur Teilnahme ein. Es brannte derart lichterloh, dass die Feuerwehr einschreiten musste. Marina Abramović verlor 1974 in der Body-Aktion Rhythm 5 inmitten eines brennenden Sterns aus Stroh das Bewusstsein und musste von Zuschauern gerettet werden. Ihre angesichts eines Brandes in ihrem Studio 1960 empfundene Hilflosigkeit verarbeitete Carolee Schneemann mit den Controlled Burnings (1962–64), Holzkästen mit bemalten Assemblagen, die sie mit Feuer behandelte.2
Wie Zauberinnen, die das Trauma der Hexenverbrennungen umkehren, nutzen Künstlerinnen die aufsehenerregende Gestalt und Vitalität von Rauch und Flammen.
1968 traktierte Ingeborg Lüscher Styropor mit dem Schweißbrenner. Wie in einem alchemistischen Prozess verwandelte sie das Material und gab den…