Lübeck
Shilpa Gupta
We last met in the mirror
Kunsthalle St. Annen 27.09.2025–01.03.2026
von Ann-Katrin Günzel
Auf dem Ausstellungsplakat blickt uns das Auge der Künstlerin aus einem winzigen, mandelförmigen Spiegel heraus entgegen – es ist ein sehendes Auge, das zur Einladung wird, dazu, selbst hinzusehen, wahrzunehmen und zu erkennen, sensibel zu sein, für das, was in unserer Welt geschieht, nicht nur uns selbst, sondern auch den andern. Es zeigt die Grundhaltung der 1976 in Mumbai geborenen und dort lebenden Künstlerin Shilpa Gupta, die als aktuelle Possehlt-Preisträgerin derzeit eine umfangreiche Einzelausstellung mit 25 Werken in der Kunsthalle St. Annen hat. Sie ist als eine der wichtigsten Medienkünstlerinnen der Gegenwart ausgezeichnet worden und wird ausdrücklich für „ihre sensiblen, oft gesellschaftspolitischen Arbeiten und die große Vielfalt an Ausdrucksformen in ihrem Gesamtwerk“ gewürdigt.
Und tatsächlich könnten Guptas Fragestellungen aktueller nicht sein: sie kreisen um Zugehörigkeit, Sicherheit, Meinungsfreiheit und Menschenrechte sowie um Fragen des gesellschaftlichen Zusammenlebens. Dabei schöpft sie aus dem Lebenskosmos ihrer Heimatstadt Mumbai, in der sich soziale Ungleichheiten mit der Herausforderung, verschiedenen Kulturen, Religionen, Sprachen und Identitäten gerecht zu werden, mit dem Anspruch, einer nationalistischen Tendenz bei gleichzeitiger (rasanter!) Modernisierung vor allem durch technologische Entwicklungen entgegenzutreten, zu einem exemplarischen Gefüge des aktuellen und auch akuten Zustands unserer Welt verdichten.
Schon im Erdgeschoß wird man von einem Werk empfangen, das maßgeblich für ihre Thematik ist: mitten im Raum hängen auf Augenhöhe schwarze Anzeigetafeln, wie man sie von Flughäfen kennt, wo sie in ständigem Wechsel Ankunfts- und Abflugzeiten, das aufzusuchende Gate, die Boardingtime und Verspätungen ankündigen. Ihre Fallblätter rattern unaufhörlich…