Verbrenner
Pyrologische Anmerkungen zur Autokulyur
von Gunnar SCHMIDT
Das Automobil ist das Majestätsmedium der Moderne. Der Selbstbeweger hat in seiner 140-jährigen Geschichte nicht nur auf durchgreifende Weise Landschaften und Städte umgestaltet, er hat zudem die Subjektivität und das Seelenleben zutiefst geprägt. Durch den Zuwachs an Beweglichkeit, Raumbeherrschung und Geschwindigkeit sowie durch die Verkapselung in der mobilen dritten Haut erfährt das Subjekt eine Ich-Umformung, die einer Suche nach „idealer Schwerelosigkeit“1 gleichkommt. Im sozialen Gefüge fungiert das Auto als Prestigeobjekt und Statusaufwerter, im Psychismus als Objekt der phallischen Überlegenheit, des uterinoiden Aufgehobenseins2 und der fetischistischen Besetzung. Das Sein in der Monade mit Fenstern lässt auch die Wahrnehmung nicht unberührt. Da alles Nahe zum Rauschen tendiert, geht der Blick in die Ferne. Man kann die These wagen, dass die Automobilität die Television vorbereitet hat, die jede Form der Taktilität vermeidet. Die Visionsmaschine gleicht einem Panzer, der die Widerstände der Realität leugnet.
Die dispositiven Wirkungen des Autos dürfen nicht vergessen lassen, dass im Inneren ein Glühkern für die Wandlung zuständig war. Motorkraft ist gezähmte Explosion. Die Filmindustrie von Hollywood hat den eingehegten, zivilisierten Pyro-Energetismus als incentiv aufgefasst und in Bilder von explodierenden, brennenden Autos übersetzt.
Dem Souveränitätsgewinn durch die Fortschrittsmaschine steht dialektisch die Erfahrung der Abhängigkeit gegenüber, auf die die Seele mit Vernichtungs fantasien reagiert.
Im Actionfilm wird ein im kulturellen Unbewussten schwelender Hass gegen das Automobil freigelassen und als begeisterndes Flammenfest zelebriert. Bereits in den 1950er-Jahren (z. B. Thunder Road, Touch of Evil) werden die Explosionsopfer vereinzelt als Affektverstärker im Erzählverlauf eingesetzt; in der Folge entwickelt die Traumfabrik…