Kunsthaus Tacheles: Wiedereröffnung geplant

2. Oktober 2019 · Aktionen & Projekte

In Berlins wilden Jahren der unmittelbaren Nachwendezeit war das Kunsthaus Tacheles ab 1990 einer der Kulminationspunkte der freien Kunstszene: Eine Künstlerinitiative, die Erfahrungen mit der Kunstzensur zu DDR-Zeiten hatte, wo man vieles nur versteckt in Anspielungen und Andeutungen äussern konnte, wählte für sich ganz bewusst den jüdisch-hebräischen Begriff „Tacheles“ für „Klartext reden“. Als der vom Abriss verschonte Teil eines ehemaligen Kaufhauses in der Oranienburger Str. besetzt und als Kunstort genutzt wurde, nannten die Nutzer auch das Gebäude so. Schon 1980 wurden Teile des Komplexes abgerissen; eine Sprengung des restlichen Teil konnte in der Wendezeit am „Runden Tisch“ verhindert werden. Obwohl das Kunsthaus Tacheles unter Denkmalschutz stand, waren die Künstler dort in all den Jahren immer wieder von Abriss und Räumung bedroht; doch erst 2012 mussten sie ihre 30 Ateliers dort endgültig räumen und die Veranstaltungsräume schließen. Der Immobilienunternehmer Anno August Jagdfeld erwarb mehrere Großprojekte in Berlin, darunter aus das Grundstück mit dem Kunsthaus Tacheles, das er 2014 an die New Yorker Vermögensverwaltung „Perella Weinberg Partners LP (PWR)“ verkaufte; insofern ist die Geschichte des Kunsthaus Tacheles auch ein Lehrstück über die Gentrifizierung und ihre Auswirkungen auf die Berliner Kunstszene: zwar ist im Bebauungsplan für einen Neubau festgelegt, dass der historische Teil auch künftig kulturell genutzt werden soll, doch ein graffitiübersätes Tummelfeld für freimütige künstlerische Experimente wird das neue Tacheles wohl nicht mehr sein. Der Projektentwickler „pwr development“ plant ein Atelierhaus, integriert in ein mehr oder weniger schickes Ambiente mit Büros, Läden und Wohnungen. Die Planung hat das Architekturbüro Herzog und de Meuron übernommen. Das Atelierhaus soll 2022 bezugsfertig sein, die übrigen Gebäude 2023. Die Baukosten liegen im dreistelligen Millionenbereich. Was die weitere kulturelle Nutzung anbelangt, so könnte das schwedische Fotomuseum Fotografiska in den Altbau einziehen; doch dies wurde bislang noch nicht bestätigt. Angesichts dieser Entwicklung überkommt auch den Baustadtrat Ephraim Gothe (SPD) eine gewisse „Wehmut“, doch der „Mythos Kunsthaus Tacheles“ ist unwiderruflich Vergangenheit. Es gäbe in Berlin aber andere Orte, so der Baustadtrat, an denen man „wieder Dinge versuchen könne“.

Dazu in Band 109 erschienen:


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