„Oh verdammt, schon wieder so ein Horizont und ein Berg!“

Ein Nachruf auf den österreichischen Maler Herbert Brandl von Sebastian C. Strenger
Der auch für seine Neo-Expressionistische Landschaftsmalerei bekannte Österreicher, Herbert Brandl (*17. Januar 1959 in Graz) war vor allem für seine Gemälde mit dem Berg bekannt. Seinen größten sah ich in Lissabon am Tejo. Das er in seinem Frühwerk der 1980er Jahre bereits eine Anlehnung an den Abstrakten Realismus fand, sollte später 11 Ausstellungen bei Rosemarie Schwarzwälder in seiner Galerie nächst St. Stephan hervorbringen und mit „Spirit Lead Me“ seine letzte Publikation. Oft traf ich Herbert an seinem überraschenden Wohn- und Arbeitsort in Wien, ein Idyll des 19. Jahrhunderts mit Gründerzeitvilla und großer Halle, eingebettet in einem Park mit altem Baumbestand und uneinsehbar von Bauten des sozialen Wohnungsbaus umgeben. In zahlreichen Gesprächen über Einflüsse und Nebenwirkungen in seiner Malerei seit den 1950er Jahren, ebenso wie über die Tristesse Wiens während er seine ersten Werke schuf, saßen wir zusammen oder telefonierten. Und so wurden es auch Gespräche über die 1960er bis 1980er Jahre. Eine Zeit, in der die gesamte Kunstwelt in Wien zuhause war und Herbert mittendrin.
Später folgten Arbeiten aus der Wendezeit von den 80ern in die 90er Jahre. Alles Papierarbeiten, die er damals für einen speziellen Raum für die Biennale in Sao Paulo anfertigte. Große Papierarbeiten wurden es, unglaublich massiv gerahmt, wie architektonische Details oder Wände eben. Schwarze Malereien könnte man sagen, aber doch minimalistisch. Ähnlich wie die bei Robert Motherwell, den er liebte. Ebenso etwa wie die abstrakten Expressionisten mit Franz Kline und Mark Rothko. „Ich habe da so Phasen gehabt, halt so wie Buddhisten-Fernsehen“, sagte er einmal, während er eine seiner geliebten Katzen streichelte. Dazu passte ebenso, dass Gotthard Graubner sein geschätzter Professoren-Kollege in Düsseldorf war, der ihn ebenso beeinflusste, wie auch A.R. Penck ihn in dieser Zeit inspirierte. Letztlich wurden es zahlreiche Einflüsse, bishin zu Kiki Smith.
Die Zeit als Jugendlicher erlebte er in der Nach-Hippie-Zeit. Genauer auf dem Land an der steirisch jugoslawischen Grenze. „Das war ein sehr entlegenes Gebiet und dort in einem ziemlich kleinen Dorf am Fluß – eine schöne Angelegenheit zwar, mit tollen Bauern in einem Naturpark, aber auch sehr brutal“. Schöne Erinnerungen an diesen Ort hatte er, damals in den 1960er Jahren, als er beschloss an die Kunstakademie zu gehen. Musiker, Schriftsteller und Künstler hatten sein Dorf von jeher angezogen. Und so hielt er schon als Kind nicht nur die Naturkraft, sondern auch die Kunst für eigentlich „so etwas Leuchtendes und ich wollte mehr wissen, von der Kunst“.
Dabei hatte Herbert mit 12 Jahren in seinem Dorf bereits regelmäßig an die Touristen Bilder verkauft. In jeder Zeitung hatte er damals Fotos gesehen und diese gezeichnet. Dabei wurde – ohne es zu wissen – Günter Brus´ Foto des mit schwarzer Farbe gespaltenen Menschen sein erstes Bild; Gerhard Richter kannte er damals noch nicht, aber auch sein Bruder konnte damals ebenso gut zeichnen. Immer recht realistisch, so auch die Beatles mit geschwungenen Haaren, jedes Haar einzeln gezeichnet. Sein Vater hatte Berge auf die Wände im Stiegenhaus gemalt. Das sollte Herbert ein Leben lang beeindrucken, ebenso wie die Tierzeichnungen seines Vaters oder auch sehr dunklen Bilder aus den Kriegsjahren oder Porträts, die er mit gekneteten Brotresten und deren Strukturen gemalt hatte. Während seine Mutter eher eine Sängerin war, erhielt er auf dem Gymnasium seine musische Erziehung. „Nach acht Jahren klassischer Gitarre war dann aber auch Schluss, denn ich wußte, die Anderen können das viel besser“, so Herbert vor seinen Vitrinen und dem Riesentisch im Eingangsbereich, überbordend voll mit Mineralien, Gesteinen, Edelsteinen und Fossilien.
Während er seine Sammlung zurecht rückt: „Ich habe schon versucht herauszufinden, wo meine Stärken sind und bin dann darauf gekommen, da ist eine Super-Power. Ich konnte sehr schnell und sehr realistisch zeichnen. Es hatte natürlich auch etwas mit der Beobachtungsgabe, die man in der Natur erlernt hat, zu tun. Aber auch mit Beobachten von Bildern oder Fotografie. Und das kam alles gleichzeitig“.
Herbert begann sein Studium an der der Hochschule für Angewandte Kunst in Wien in der Medienklasse von Herbert Tasquil und dann Peter Weibel. Dabei hatte er sich aber nie für Medien interessiert. „Mein Lehrer, Peter Weibel, hat mich dann aber malen lassen, obwohl er gegen die Malerei, nicht aber gegen mich war“, so Herbert. Später sollte Weibel dann einmal einen Text über die Landschaftsmalereien seines Freundes schreiben, dessen Mentor er war und dem er Ende der 70er Jahre durch Pattern Paintings zur Malerei von Penck und Graubner führte. Ein Kontrast zu seiner Welt in Wien.
„Wien zum Ender der 70er Jahre war sehr, sehr grau. Das war im letzten Eck. Wien war aber auch ziemlich verfallen und man hat damals unglaubliche Ateliers gekriegt. Dort wo Wein in die Räume reingewachsen ist und wo sich die Hirsche eigentlich „Gute Nacht“ gesagt haben. Es gab riesige Räume und Wohnungen, die fast nichts gekostet haben“, meinte Herbert noch zuletzt mit leuchtenden Augen, aber bereits von seiner langjährigen Krebserkrankung gezeichnet. Es war eine andere Zeit, als der Grazer Museumsdirektor, Wilfried Krainer, sich sehr für junge Malerei interessierte. Neben Herbert auch für Hubert Schmalix, Siegfried Anzinger und Erwin Bohatsch – die jungen Wilden eben, zu denen Herbert Brandl sich persönlich aber nie zählte. „Ich war noch viel jünger, aber er hat sich auch für mich interessiert und mir gleich mal eine Museumsausstellung gegeben. Und das war etwa 1984 mit etwa 23 Jahren“. Nach dem Studium ging er in die noch junge Galerie von Peter Pakesch in Wien. Daraus wurden zahlreiche Ausstellungen in der Ballgasse 6.
Insbesondere durch Max Hetzler in Köln entstanden Freundschaften wie die etwa mit Künstlern wie Markus und Albert Oehlen, aber auch mit Martin Kippenberger. Sol Lewitt, Joseph Kosuth, Mike Kelley, Raymond Pettibon und John Baldessari lernte Herbert in dieser Zeit kennen, aber ebenso Ilya Kabakov. Es war die Zeit, in der Herbert seine Farbpalette änderte, um auch die Möglichkeit wahrzunehmen, mit den österreichischen Heimatklängen einer tradierten Landschaftsmalerei zu brechen. „In der Hauptsache interessierten mich jedenfalls vor allem die Farben und weniger die Landschaft. Eigentlich habe ich diese Farben einfach nur gemalt – ohne Plan! Intuitiv und ohne zu zögern. Und irgendwie habe ich das wie in einer Performance gemalt“, sagte er auf der Veranda seines Refugiums mit dem Blick durch das Katzengitter auf die Parkkulisse. Und fragte man ihn nach dem Resultat, sagte er in seiner ihm eigenen Nettigkeit ganz unverblümt: „Oh verdammt, schon wieder so ein Horizont und ein Berg“!
Das herzliche gemeinsame Lachen wird mir fehlen. Herbert Brandl starb gestern im Alter von nur 66 Jahren in Wien. Er hinterlässt seine langjährige Lebensgefährtin, die Künstlerin Edelgard Gerngross.
Dazu in Band 188 erschienen: