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Titel: Farbe und Skulptur II · S. 49 - 55
Titel: Farbe und Skulptur II , 1983

Das Bengalische und das Coole

Junge deutsche Objektemacher im Spannungsfeld von Plastizität und Farbe

von Peter Winter

Nach einer Phase der stereometrischen Kargheit, des Materialpurismus und der nackten Oberflächen erkunden jetzt zahlreiche jüngere deutsche Künstler lustvoll die Wege fernab der ideologischen Autobahn; lassen die Leitplanken, das Grau und die exakten Mittelstreifen links liegen. Minimai-Art und Arte povera, Konstruktivismus und introvertierte, mystisch aufgeladene Stofflichkeit schimmern im Gegenlicht als Tankstellen der vorigen Generation weit hinten am Horizont: nun geht es munter quer durchs Gelände.

Die Merkzettel bei dieser Schnitzeljagd heißen: Irritation, Ebenen-Sprünge, Banalität, Spiel mit Second-hand-Exotismen, Ironie, Freude am Understatement, am Erzählen und an der Flapsigkeit, Spaß an der Farbe, am Ausspielen trivialer Reizfaktoren und an der Entdeckung poetischer Momente im abgegriffenen Billigding.

Zwischen Kaufhaus, Hinterhof, Neonreklame, Sprayer-Aktivität und Autofriedhof, zwischen Phantasie und Schrott, urbaner Hektik und Desolatheit, Discogrelle und Betontristesse, Chaos und Raster, Verletzlichkeit und Härte, bewegt sich changierend und reflektierend das Häuflein der jüngeren Bildner.

Die Farbe taucht in ihren Arbeiten zumeist nicht als dekorative Haut, als freundlich-schmeichelnde Schmuckschicht auf, wirkt weder natürlich noch harmonisch, sondern eher aggressiv und giftig, scheint den Sachen oft rücksichtslos aufoktroyiert oder schmerzhaft eintätowiert worden zu sein wie ein brutales Mal zivilisatorischer Vergewaltigung: Farbe ist den Erscheinungen hier nicht immanent, sondern verfremdend aufgesetzt, ist nicht organisch, sondern synthetisch “da”.

Mit unserer gegenwärtigen Situation haben diese Objekte und Installationen mehr gemein als diverse Stücke der entschlackten, keimfreien Ästhetik der letzten Jahre. Gerade wegen ihres “unreinen”, heterogenen Charakters und ihres direkten, zupackenden Biß’ haben sie mehr Aussagekraft, können sie mehr zeittypische Schwingungen sichtbar machen…

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