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Essay · von Arnulf Rainer · S. 112
Essay , 1981

Arnulf Rainer
Der Künstler zwischen Souveränität und Vereinnahmung

Ein Vortrag zum Kulturgespräch “Die verwaltete Kultur” beim Europäischen Forum Alpbach

Mein Vortragsthema ist selbst gewählt. Ich spreche hier nur von persönlichen Standpunkten und subjektiven Erfahrungen als bildender Künstler bezüglich des Kongreßthemas. Ich spreche nicht von der “verwalteten Kultur”, sondern von der “verwalteten Kunst” und den Strategien wie und warum ein Künstler sich seiner Verwaltung und Kulturierung zu entziehen versucht.

Ich gehe außerdem von den unbewiesenen Annahmen aus: die Kunst als “das Salz des Lebens”, vom Künstler, der Leistungen vollbringen soll, die nur er persönlich erbringen kann, vom Künstler, der Inhalte ausbreitet, die durch eine spezialisierte SENSIBILITÄT gefunden werden, vom Künstler, der einem Gehalt nachjagt, der sich erst bei einer intensiven, intuitiven Gestaltungsanstrengung einstellt.

Es ist bekannt: er beschäftigt sich mit der Visualisierung von Ungewußtem, Neologistischem, dem Überraschungseffektiven, Erfundenem, Willkürlichem, Problematischem, Gemiedenem, Verachtetem, Unzugänglichem, Unbehaglichem, Unbeachtetem, Tabuisiertem etc. Es ist aber auch die Findung und Gestaltung von Imaginationen, deren Problemhorizont ihm eine volle persönliche Identifikation ermöglichen. Nur so hat er eine starke Motivation, nur so kann er seine Begabung halbwegs mobilisieren oder gar ausschöpfen. Möglicherweise ist die Anbohrung seiner stärksten Motivationen die eigentliche Kunst des Künstlers. Begabungsreserven haben bekanntlich alle.

Natürlich gibt es auch für ihn keine volle Einzelsouveränität, aber als die beste Voraussetzung für seine Arbeit und deren Verbreitung ist eine relative AUTONOMIE. Um sich dieser anzunähern, muß er die volle Souveränität lieben, über das Mögliche hinauszielen, Unrealisierbares wollen, um Mögliches zu erlangen.

VEREINNAHMER SIND WIR ALLE. Auch Künstler untereinander. Die Vereinnahmer sind in unseren geopolitischen Breiten…


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