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Titel: Dokumentarfotografie · von Walter Grasskamp · S. 14 - 33
Titel: Dokumentarfotografie , 1980

Walter Grasskamp
Ohne Worte

Zur Ästhetik der Dokumentarfotografie

“Denn die Lage, sagt Brecht, wird ,dadurch kompliziert, daß weniger denn je eine einfache Wiedergabe der Realität etwas über die Realität aussagt. Eine Photographie der Kruppwerke oder der A.E.G. ergibt beinahe nichts über diese Institute. Die eigentliche Realität ist in die Funktionale gerutscht. Die Verdinglichung der menschlichen Beziehungen, also etwa die Fabrik, gibt die letzteren nicht mehr heraus. Es ist also tatsächlich etwas aufzubauen, etwas Künstliches, Gestelltes.’ “1 Walter Benjamin, der diese Kritik Brechts 1931 in seiner Kleinen Geschichte der Photographie anführt, hat sich später bemüht, Brechts Kritik noch zu übertreffen. In seiner Theorie vom Autor als Produzent (1934) kommen die neusachlichen Fotografen denkbar schlecht weg: “Nun aber verfolgen Sie den Weg der Photographie weiter. Was sehen Sie? Sie wird immer nuancierter, immer moderner, und das Ergebnis ist, daß sie keine Mietskaserne, keinen Müllhaufen mehr photographieren kann, ohne ihn zu verklären. Geschweige denn, daß sie imstande wäre, über ein Stauwerk oder eine Kabelfabrik etwas anderes auszusagen als dies: die Welt ist schön. Die Welt ist schön – das ist der Titel des bekannten Bilderbuchs von Renger-Patzsch, in dem wir die neusachliche Photographie auf ihrer Höhe sehen. Es ist ihr nämlich gelungen, auch noch das Elend, indem sie es auf modisch-perfektionierte Weise auffaßte, zum Gegenstand des Genusses zu machen.“2 Diese beiden Thesen über die Fotografie werden auch heute noch gern angeführt, aber sie stehen auf schwachen Füßen, mögen diese auch einst in den Schuhen von Brecht und Benjamin gesteckt haben.

Wenn Brecht etwas Künstliches, Gestelltes fordert,…


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von Walter Grasskamp

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