München: Gemälde von Johannes Koerbecke an Erben restituiert

Die Bayerischen Staatsgemäldesammlungen restituieren das Gemälde „Die Vision des Hl. Bernhard“ von Johannes Koerbecke an die Erben von Ellen Funke. Das seit 2020 im Lost Art Register gemeldete Werk wird nun zurückgegeben. Es gehörte Helene Sophie Victoria Hermine Heintzmann, genannt Ellen Funke (1869–1947), die Kunstwerke aus dem „Loeb’schen Fideikommiss“, einer bedeutenden Privatsammlung mit Wurzeln im 19. Jahrhundert, erbte. Ursprünglich wurde die Kunstsammlung, deren Teil an Ellen Funke ging, von dem jüdischen Mediziner Alexander Haindorf gemeinsam mit seiner Tochter Sophie und Schwiegersohn Jakob Loeb aufgebaut.
Ellen Funke war im Nationalsozialismus von systematischer Verfolgung betroffen, sodass ihre 101 Kunstwerke umfassende Sammlung nicht zusammengehalten werden konnte. Sie verkaufte das Werk „Die Vision des Hl. Bernhard“ 1936 an die Galerie Stern in Düsseldorf, vermutlich um ihren Aufenthalt im sicheren Ausland zu finanzieren und Familienmitglieder zu unterstützen, weswegen der Verkauf als verfolgungsbedingt eingestuft wird. Demnach wird Ellen Funke als Erstgeschädigte behandelt, sodass das Gemälde nun nach den Washingtoner Prinzipien an ihre Rechtsnachfolger zurückgeht.
Durch den Verkauf des Gemäldes an den Kunsthändler Max Stern erfuhr das Werk zudem einen entscheidenden Eingriff. So teilte Stern die beidseitig bemalte Tafel, um größeren Profit zu erlangen, indem er beide Seiten als eigenständige Werke verkaufte. Die Vorderseite der Tafel zeigte ursprünglich die Verkündigung und die Rückseite die Vision des Heiligen Bernhard. Die Darstellung des Heiligen Bernhard ist 1937 in einem Katalog der Kunsthandlung P. de Boer in Amsterdam zu finden. Sie wurde im Juli/August 1938 von den Bayerischen Staatsgemäldesammlungen im Rahmen eines Tauschgeschäfts erworben. Denn die Bayerischen Staatsgemäldesammlungen übergaben 1938 Jan van Goyens Wasserlandschaft an die Kunsthandlung P. de Boer und erhielten im Gegenzug die Malerei von Koerbecke wie auch eine Ölskizze von Carlo Carlone.
Familie Wels als Nachfahren äußerten sich sehr positiv über das Restitutionsverfahren und das Vorgehen der beteiligten Mitarbeiter*innen der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen: „Das Bild ist nun zurück in der „Sammlung Alexander Haindorf“, welche durch uns als Nachfahren nach Möglichkeit wieder zusammengetragen wird. Die persönliche Rückgabe des Bildes war ein besonderer und ergreifender Moment. Wir haben klar gespürt, dass alle Mitarbeiter der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen sich selbst sehr über die Rückgabe gefreut haben und genauso ergriffen waren wie wir.“
Anton Biebl, der Leiter der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen, betont: „Mit viel Engagement setzen sich die Bayerischen Staatsgemäldesammlungen und die Forscherinnen des neu gegründeten Referates für Provenienzforschung an der Staatlichen Museumsagentur Bayern für die Aufklärung historischer Unrechtmäßigkeiten und die Rückgabe von während der NS-Zeit entzogenen Kunstwerken ein. Durch sorgfältige und wissenschaftlich fundierte Provenienzforschung wird verlorenes Kulturgut sichtbar gemacht und werden im Sinne der historischen Gerechtigkeit faire Lösungen ermöglicht.“
Dazu in Band 291 erschienen: