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Titel: Biennale Venedig · von Amine Haase · S. 70 - 71
Titel: Biennale Venedig , 1995

Amine Haase
Die Sammlung des Professor Nemo

Ein Kurz-Porträt des Leiters der Biennale Venedig, Jean Clair

Italien, schönes Land voller Widersprüche. Zum ersten Mal wird ein Nicht-Italiener zum künstlerischen Leiter der Biennale von Venedig berufen, ausgerechnet im Jahr des hundertjährigen Bestehens dieser so prestigereichen wie umstrittenen Veranstaltung. Der Biennale-Chef 1995 heißt Jean Clair, zumindest schreibt er unter dieser Signatur seine Texte über Kunst. Als Direktor des Pariser Musée Picasso nennt er sich auch Gérard Régnier. Wenn Jean Clair mit scharf zugespitzten Formulierungen die Kulturpolitik attackiert (in “Paradoxe sur le conservateur”, 1988), ist es sicherlich diplomatisch, wenn der Angreifer nicht denselben Namen trägt wie der staatsbeamtete Museumsleiter Gérard Régnier.

Diplomatisch verhält sich Jean Clair auch, wenn er zur Hundert-Jahr-Feier der Biennale auf eine Rekonstruktion mit “signifikanten Erinnerungsstücken” verzichtet und die zentrale Ausstellung unter ein ganz anderes Thema stellt: Identità e Alterità, Identität und Anderssein. “Die Geschichte des menschlichen Körpers” scheint für ihn ein faszinierender Aspekt der Kunst und ihrer Historie zu sein. 1993 organisierte er in Paris die spektakuläre Schau “L’âme au corps” (etwa: Die Seele zum Körper), eine Parallel-Geschichte der Wissenschaften und Künste seit 1793. Bei dem ambitiösen Unternehmen wurde nicht ganz klar, ob der Erfinder dieser Ausstellung die Kunst als Opfer der Wissenschaft sieht oder als gleichberechtigten Partner in einem umfassenden Gedankengefüge oder vielleicht als Ideenspender, der in die exakten Wissenschaften die nötige Phantasie einbringt.

Mit “Identità e Alterità” will Jean Clair an den ersten Skandal der ersten Biennale von 1895 anknüpfen. Damals hatte das Bild “Il supremo convegno” (Das letzte Stelldichein) von…


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