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Essay · von Georg Jappe · S. 28 - 30
Essay , 1976

Georg Jappe
Ein Traum von grosser Kunst

Ist man für seine Träume verantwortlich? Voltaire antwortete: ‘So wenig wie für seine Gedanken’.

Dies hatte ich gelesen, da überlief mich ein Traum, ich ginge mit Voltaire durch einen Garten, and er sagte: ‘Dieser Garten ist, fürchte ich, die beste aller möglichen Welten’. Er wies mir einen Mann mit Hut, das sei sein Gärtner, was mich wunderte, konnte er doch aasen und Karnickel nicht auseinanderhalten, weil er sich um keinen Preis spezialisieren wollte. Er predigte wie der heilige Franziskus den Karnickeln Selbstbestimmung, und die taten das dann auch: sie buddelten. Buddelten die Erde um. Was er sagte, klang sehr schön, war nur nicht leicht zu merken; jeder Mensch ist ein Karnickel, der Satz kam öfters. ‘Vor Romantikern’, lächelte Voltaire, ‘muß man auf der Hut sein, um mich ständig dessen zu erinnern, habe ich ihm anbefohlen, stets den Hut zu tragen; zudem, wenn er den Hut nähme, so zahllose Karnickel heraussprängen und sich multiplizierten, daß…’ Was dann passieren würde, ließ er im Vagen, denn nun fesselte unsere Aufmerksamkeit sein blonder Adlatus, der unter dem ständigen Ausspruch ‘das Multiplizieren muß noch multiplizierter werden’ mit Tangenten schwarzangezogene Herren solange piekste, bis sie aufjaulten und zurückschlugen, dann schrie die blonde Spitznase laut zu den Umstehenden: ‘Solli – soll i – dammi-tät’ oder so ähnlich, die aber verstanden ‘soll ich Rarität’ und wußten nichts damit anzufangen. Das Straußausfechten wurde allmählich immer gröber. ‘Ach diese Intellektuellen, statt mit dem Wasser die Gartenwege zu reinigen.’ Diese Bemerkung Voltaires lenkte meinen Blick auf…


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