Eintragung ins Klassenbuch
von Walter Grasskamp
für Herbert Prokasky I
Von Dylan Thomas gibt es ein Portrait of the artist as a young dog, was man natürlich nicht als Portrait des Künstlers als junger Hund zu übersetzen hat, eher als junger Spund. Fast jedes autobiografische Unternehmen zehrt von diesen Jahren, in denen sich entscheidet, was von den Anlagen, die man mit auf die Welt brachte, und den Erfahrungen und Träumen der Kinderjahre in jener jugendlichen Entscheidungsnot berücksichtigt werden kann, in der das Erwachsenendasein bereits festgelegt wird, ohne daß man es deswegen auch schon versteht.
Von Reinhard Ulrich Mucha gibt es ein Farbphoto, das ihn an einem Küchentisch zeigt, der mit den Briefen, Blumen, Pralinen und Büchern dekoriert ist, welche eine findige Verwandtschaft ihm zur Konfirmation hat zukommen lassen. Gelassen sitzt er vor seinen verhalten lächelnden Eltern, die Hände in einer skeptischen Geste miteinander gewendet, jeder Zoll der Mittelpunkt des Tages in einem Leben, das er noch nicht ganz begreift.
Es ist kein intimes Privileg, dieses Foto zu kennen, wie man sich sonst Kinder- und Jugendfotos zeigt, um eine größere persönliche Nähe herzustellen, als es die Umgangsformen alleine vermögen. Mucha hat dieses Bild, Jahre nachdem es aufgenommen worden ist, neu abgezogen und anläßlich seiner ersten Ausstellung in der Wuppertaler Galerie Annelie Brusten verteilt. Eine solche Mitteilungsfreude erweckt zunächst Heiterkeit, mit der man die unfaßbare Peinlichkeit der Botschaft zu überspielen sucht: es ist schließlich nicht das prestigebeladene Ambiente eines feudalen Interieurs, nicht mal in der rustikalen Kopie einer Zahnarztfamilie, mit der sich Mucha als Abkömmling…