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Essay · von Jörg Johnen · S. 124 - 133
Essay , 1982

Retten, was zu retten ist
oder: Weiter mit Verstand

von Jörg Johnen

“Der Manierismus ist in diesem Sinne die erste moderne Stilrichtung, die erste, die mit einem Kulturproblem verbunden ist und für die das Verhältnis von Überlieferung und Erneuerung als eine mit Verstandesmitteln zu lösende Aufgabe erscheint. Die Heterogenität des Manierismus aber bedeutet keinen bloßen Subjektivismus sondern ist vielmehr ein Zeichen der Erschütterung der Kriterien der Wirklichkeit.
Arnold Hauser.

Die allgemeine politische, gesellschaftliche und ökonomische Krise hat eine Kunst hervorgebracht, die alle Merkmale eines neuen Manierismus aufweist, der sich sowohl in der Malerei, doch auch zunehmend mehr in umfassenderen Bereichen künstlerischer Produktivität manifestiert. Der Manierismus in der Malerei wurde bereits als “wild” etikettiert, doch ist diese Malerei eher manieriert als wild, eher intellektuell als naiv. Nach der kurzen Blüte der Minimal- und Konzeptkunst mit ihren neutralen Strukturen und imperialen und optimistischen Ansprüchen auf Weltverbesserung ist überall eine stärkere Auseinandersetzung mit dem europäischen Kulturbereich zu beobachten. Die allzugroße Simplizität und Abstraktheit der Minimal- und Konzeptkunst wird abgelöst durch subjektivere, theatralischere, pathetischere, historisch und subjektiv verweisende Ausdrucksformen. Die einfachen und klaren Strukturen sind kompliziert und düster geworden. “Man könnte beinahe sagen, daß die Umgebung hinter einem Netz dünner Oberflächen verschwunden ist, die nur noch ungreifbare Bedeutungen reflektieren. Es ist eine Welt zahlloser Aktionen und Gegenaktionen die alle zusammen eine subtile Struktur ergeben, die Simplizität vermeidet.” (Robert Smithson).

Der neue Manierismus ist keine selbstverständliche Ausdrucksform von Weltaneignung sondern die Ausdrucksformen der letzten Jahrhunderte bis hin zur Kunst der siebziger Jahre werden mit intellektueller Distanz zitiert, verfremdet und…

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