Thomas Wulffen
Kopfbahnhof/Terminal
Hauptbahnhof Leipzig, 16. – 31.3.1995
Vielleicht gehen die wesentlichen Impulse für eine andere Art der Kunstvermittlung nicht von den Zentren aus, sondern konstituieren sich in der Provinz, am Rande. Unbemerkt von diesen Zentren werden Versuche unternommen, auf anderen Ebenen zeitgenössische Kunst zur Darstellung zu bringen. Anlass zu derartigen Feststellungen bot ein Ausstellungsprojekt in Leipzig. Die Stadt beherbergt Europas größten Kopfbahnhof. Für das Ausstellungsprojekt `Kopfbahnhof/Terminal`, kuratiert von Gerti Fietzek und getragen vom Förderkreis der Leipziger Galerie für zeitgenössische Kunst unter Klaus Werner, war dieser Bahnhof Ausstellungsort und Ziel- und Ausgangspunkt. Die Rede von Ziel- und Ausgangspunkt hatte bei diesem Projekt tatsächlich Sinn und Bedeutung, denn in zwei Künstlerbeiträgen wurde Bewegung im weitesten Sinne als Bestandteil der Arbeit inkorporiert. Schon der im voraus informierte `Besucher` der `Ausstellung` wurde, falls er im Zuge nach Leipzig fuhr, mit einer Arbeit von Lawrence Weiner konfrontiert. Der Amerikaner hatte in den sogenannten Fahrplanblättern der Deutschen Bahn AG jeweils unterschiedliche Textbeiträge als Anzeigen veröffentlicht. Die einzelnen Beiträge, umrandet, setzen sich aus den Elementen HERUMGEDREHT, ZURÜCKGEBRACHT, EIN & AUS (UM)GESTELLT, DURCHGEJAGT, WEITERBEWEGT, MIT EISENKUGELN, MIT STAHLKUGELN, & ETWAS IN DER ART, & ETWAS GANZ ANDERES zusammen. Sowohl auf der semantischen als auch auf der syntaktischen Ebene ergab sich im Kontext der Fahrplanblätter eine Dynamik, die reale Bewegung auf die Sprach- und Textebene umsetzte und umgekehrt. Die Permutationen der Textelemente waren in allen Zugbegleitern jener Züge abgedruckt, die Leipzig als Endpunkt ansteuerten oder Leipzig durchquerten. Darüber hinaus war die Arbeit an den üblichen Informationstafeln direkt im Hauptbahnhof ausgehängt….