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Kommentar · S. 242
Kommentar , 1974

KLAUS HONNEF
TAGEBUCH

5. Folge

Montag, den 15. Oktober

Die Nacht war kurz, ich fahre mit dem Zug nach Hannover, um Raimund Girke zu interviewen. Ich brauche Material für das Katalogvorwort. Die Retrospektive startet im Januar, und einmal wenigstens sollte das Material rechtzeitig beim Drucker sein. In Braunschweig merke ich, daß ich an Hannover vorbeigefahren bin. Trotz erheblicher Verspätung: der Besuch lohnt. Ich sehe frühe Bilder von Girke, die man kaum je zu Gesicht bekommen hat. Die Retrospektive müßte einiges geraderücken. Hoffnung. Wen kümmert’s schon ausser Girke und den paar aficionados – passederes fällt mir nicht ein -, die sich noch für Kunst und nicht das aufgeplusterte und ausgeschwätzte Brimborium drumrum interessieren.

Mittwoch, den 17. Oktober

In Düsseldorf sagt Gerd Richter: ‘Manchmal habe ich auch das Gefühl, daß Aschenbecher machen besser ist als Kunst zu machen!’

Donnerstag, den 18. Oktober

Eröffnungsveranstaltung im Rahmen eines Kolloquiums zum Thema ‘Strassenkunst’. Eingeladen haben die Freunde der Neuen Galerie in Aachen. Das eigentlich abgedroschene Thema erfährt eine positive Wendung durch die Tatsache, daß ausser Wollgang Becker und mir niemand aufgefordert wurde, der sich professionell mit Kunst beschäftigt. Dafür aber Architekten, Stadtplaner, Studenten.

Freitag, den 19. Oktober

Unter Leitung von Professor Erich Kühn, Emeritus der TU Aachen und gewiß einer der profiliertesten deutschen Städteplaner, geht das Kolloquium unter Ausschluß der Öffentlichkeit vonstatten. Die Gefahr, daß alles zerredet wird, besteht nicht. Mich wundert, daß die Mehrzahl der Referate irrsinnige Hoffnung in die Kunst setzen bei der Aufgabe, die unmenschlichen Mondlandschaften unserer Städte wieder (auf einmal? ) menschlicher zu gestalten. Wo der Städteplaner, der Architekt versagen,…


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