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Titel: 150 Jahre Fotografie III · von Klaus Honnef · S. 23 - 24
Titel: 150 Jahre Fotografie III , 1977

2. Einzelbildfotografie

Das einzelne Bild als Sinnbild der gesamten Wirklichkeit – diese Vorstellung war in Kraft, solange die Wirklichkeit in ihren Ausmaßen und Zuordnungen überschaubar schien. Sie löste sich in dem Maße auf, wie das einheitliche Weltbild feudaler Prägung durch die gesellschaftliche Entwicklung zugunsten einer auf grundlegende Erkenntnisse der Wirklichkeit abzielenden Haltung aufgesplittert wurde. Die Tendenz zur Zusammenschau blieb gleichwohl noch eiserner Bestandteil der Malerei über ihre wechselvollen Stilentwürfe hinweg und findet ihre Entsprechung im prinzipiellen Vermögen des Malers zur Synthese aller von ihm dargestellten Wirklichkeitsdaten. Erst als sich in der Malerei auf dem Hintergrund der sozialen Umwälzungen und im Verein mit dem Einsatz industrieller Fertigungsweisen auf dem Sektor der Gütererzeugung auch serielle Methoden durchsetzten, verliert sie ihre allgemeine Geltung. Doch noch in den Hervorbringungen der Konstruktivisten klassischer Provenienz scheint der künstlerische Wille zum harmonischen Ausgleich der widerstreitenden Wirklichkeitsaspekte auf; wenngleich hier nur in Form eines Gegenbildes zu den wirklichen Umständen. Die Fotografie hat diese Eigenschaft des Sinnbildhaften wegen ihrer technischen Voraussetzungen niemals besessen; das fotografische Bild ist stets Ausschnitt eines größeren Wirklichkeitskomplexes, die perspektivisch gebrochene Vergegenwärtigung eines Zeitsegmentes in einem bestimmten Raum. Dennoch beruht die ursprüngliche Verwendung des fotografischen Mediums in der Pionierphase auf der Einzelbildfotografie. Die Gründe sind technischer Herkunft. Die ausgiebigen Handreichungen, die zwingend notwendig waren, um die fotografische Platte für das einfallende Licht zu sensibilisieren, verpflichteten die Fotografen zwangsläufig auf die Einzelbildfotografie. Andererseits dokumentiert sich in dieser Art von Fotografie auch ein ganz bestimmtes fotografisches Selbstverständnis. Abgesehen von den Autoren, die der Malerei vergeblich nachzueifern versuchen, sind…

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