Die Farbe in der Postmoderne
von Hermann Sturm
Seit mehr als zehn Jahren machen sich in der internationalen Architekturszene Tendenzen bemerkbar, denen eine radikale Abkehr von den Dogmen des Funktionalismus gemeinsam ist und denen der amerikanische Architekturtheoretiker Charles Jencks als Sammelbegriff das Etikett “Postmoderne” angeheftet hat. Diese sog. Postmoderne sucht den Funktionalismus mit unterschiedlichen Mitteln zu “überwinden”. Am spektakulärsten und umstrittensten ist ihre Rückbindung an historische Bautypen und -formen (Tempel, Giebel, Säule, Bogen u.a.), ihre historistische bzw. historisierende Mentalität.
Das Problem der Farbe stellt sich in der Postmoderne auf zwei Ebenen. Erstens auf der Ebene der Architekturzeichnung, der insofern besondere Bedeutung zukommt, als sie infolge mangelnder Bauaufträge (zuweilen auch infolge eines grundsätzlichen Desinteresses am Bauen, z.B. im Fall von Massimo Scolari) häufig die einzige Form der Sichtbarmachung architektonischer Ideen bleibt. In diesen einer kulinarischen Ästhetik huldigenden, inzwischen z.T. schon im Kunsthandel zirkulierenden Zeichnungen spielt die Farbe als kosmetisches Accessoire eine herausragende Rolle, ohne jedoch zuverlässige Schlüsse auf ihren geplanten Einsatz im oder am tatsächlich gebauten Bauwerk zuzulassen. Ihr Gebrauch erscheint beliebig, folgt meist nur formalästhetischen Erwägungen.
Zweitens interessiert das Problem der Farbe in der Postmoderne auf der Ebene des faktisch Gebauten. Lesen Sie hierzu den Beitrag von Hermann Sturm, der über die partikulare Fragestellung nach der Farbe weit hinausgehend die Postmoderne insgesamt einer grundsätzlichen Kritik unterzieht.
Dieser Versuch zum gestellten Thema soll sich in drei Schritten bewegen. Nach eingrenzenden und einschränkenden Vorbemerkungen zum Begriff der sog. Postmoderne wird im ersten Schritt unter dem Aspekt der Architektur als Bedeutungsträger die These vom Verlust des wahren Schönen…