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Ausstellungen: Dresden · von Karin Thomas · S. 154 - 168
Ausstellungen: Dresden , 1983

Eine “Neunte” mit Dissonanzen

Traditionalismus und Avantgarde auf der IX. Kunstausstellung in Dresden
(2. Oktober 1982 – 3. April 1983)
von Karin Thomas

Zumindest im Vorfeld ihrer Werbekampagne gibt sich die IX. Kunstausstellung, die zur Zeit für ein halbes Jahr vom Verband Bildender Künstler der DDR in Dresden veranstaltet wird, überraschend progressiv. Schmückt sich doch die jedes Jahrfünft stattfindende Leistungsschau zur zeitgenössischen Kunstszene der DDR dieses Jahr erstmalig mit einem abstrakt geometrischen Signet, das so gar nicht zu den traditionellen sozialistisch-realistischen Vorzeichensetzungen dieser offiziellen Ausstellungseinrichtung der DDR passen will. Allerdings wird der Besucher der “Neunten” sehr rasch feststellen müssen, daß die Ausstellung, die das Dresdner Abertinum mit 850 Gemälden, Plastiken und grafischen Arbeiten von 545 Künstlern füllt, keineswegs hält, was der avantgardistische Werbegag des Signets verspricht.

Statt konkreter Probleme Rückzug in Unverbindliches

Im Vergleich zur VIII. Kunstausstellung 1977/78, die mit diskussionsherausfordernden Problembildern auf die real vorhandenen Konfliktpotentiale innerhalb der DDR-Gesellschaft verwies und durch ihr stilistisch hohes Niveau der DDR-Kunst über die Grenzen hinaus rege Beachtung und Aufwertung einbrachte, kann die IX. Kunstausstellung trotz ihres Rekurses auf die Honecker-Aufforderung von 1971, die Kunst der DDR möge ,,Weite und Vielfalt” ihrer Möglichkeiten erproben, kaum neue inhaltliche und stilistische Akzente vorzeigen. Selbst der Juryvorsitzende der Sektion “Malerei”, der Leipziger Malerprofessor Bernhard Heisig, muß in seinem Rechenschaftsbericht enttäuscht eine Rückzugshaltung auf “Unverbindliches und politisch Unscharfes” feststellen.

Und in der Tat ist an die Stelle des gesellschaftspolitischen Problemvokabulars der “Achten” heute ein selbstgenügsamer Ästhetizismus und ein akademisches Schwelgen im stilistischen Kopieren und motivischen Zitieren alter und neuer Meister getreten. Mit Bedauern…

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