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Monografie · von Jörn Merkert · S. 195 - 202
Monografie , 1974

JÖRN MERKERT
PRE-FLUXUS VOSTELL

Die Straßen sind unsere Pinsel, unsere Palette die Plätze.
Majakowsky, 1919

Während seines ersten Studienaufenthaltes in Paris, im August-September 1954, entdeckte Vostell auf der Schlagzeile des Figaro vom 6.9. zum ersten Mal das Wort ‘décollage’, das im Zusammenhang mit der Nachricht über einen Flugzeugabsturz benutzt wurde. Décollage meint hier: das Abheben des Flugzeuges von der Landebahn, kann im Französischen aber auch gebraucht werden für losmachen, trennen, Geleimtes ablösen. Vostell übertrug diesen Begriff zunächst auf zerrissene Plakatwände, erweitert seinen Sinngehalt aber entscheidend, als er ihn auch für Ereignisse der Realität anwendet und zwar speziell für den ‘zerrissenen’, offenen Ablauf von Handlungen. Der Prozeßcharakter von Teilen der Wirklichkeit, die mit diesem Wort bezeichnet werden, wird dadurch noch einmal besonders betont; wie im übrigen die lexikalische Schreibweise ‘de-coll/age’ in sich bereits eine décollage ist, aus Bruchstücken zusammengesetzt, ein zerrissenes Wort.

Die ersten zu Bildern erklärten de-coll/agen, Plakatabrisse von 1954, könnte man als eigenständigen Beitrag zum Tachismus der fünfziger Jahre ansehen, würde aber entscheidende Unterschiede übergehen: Sicher ist auch den de-coll/agen Vostells die gestische Handschrift, die Spurzurücklassung gemein mit den Bildern eines Jackson Pollock; gemeinsam ist ihnen auch die besondere Betonung der Aktion, die das Bild dann beinah wie zufällig zurückläßt; das Bild als Dokument einer Aktion. Doch man würde unterschlagen: den Eindruch der Realität, die bei Vostell in den Mittelpunkt des Kunstwollens rückt. Da wären dann zunächst von der ästhetischen Seite weiter zurückliegende historische Verwandtschaften aufzuzeigen: zu den Foto-Collagen der Dadaisten, den Sprachcollagen von Kurt Schwitters und den Wort-Bildern der Futuristen.

Doch was…


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