RAINER WICK
Zur Theorie des Happenings (2.Teil).
Im 1. Teil dieser Dokumentation, der in Band 8/9 abgedruckt war, ging es um eine Systematik der Phänomene, die unter dem Begriff Happening subsumiert werden, sowie um historische Bezüge und formale Aspekte. Der sich hier anschließende 2. Teil setzt sich – abgesehen von einer deutlicheren Differenzierung zwischen Fluxus, dem klassischen Happening und dem Wiener Aktionismus – kritisch mit dem Anspruch der Bewußtseins- und Gesellschaftsveränderung durch Happenings und Aktionen, mit der Formel Kunst=Leben und mit Versuchen einer Neubestimmung künstlerischer Produktionsweisen durch Publikumspartizipation auseinander.
Die Redaktion
Es kam wie es kommen mußte: über alle Klassifizierungen, Rubrizierungen, Etikettierungen (Pop, Op, Minimal, Concept usw.), die die geschichtliche Wirklichkeit immer dann weitmaschig vergröbern, wenn die Phänomene zu kleinteilig und zugleich vielgestaltig erscheinen, fanden sich Happening und Fluxus unversehens in einer und derselben Schublade wieder. Im Sprachgebrauch (und wohl auch im Bewußtsein der die Sprache so Gebrauchenden) zum unzertrennlichen Zwillingspaar zusammengewachsen (wir selbst fielen dieser eingerasteten Sprachregelung bislang mehrmals zum Opfer), ist die Vorstellung von der unabdinglichen Zusammengehörigkeit von Happening und Fluxus dennoch nur ein Mythos.
Die Wurzeln dieses Mythos reichen bis in die frühen sechziger Jahre zurück, als verschiedene Künstler vorübergehend sowohl als Vertreter der sog. Happening-Bewegung wie auch als Angehörige der Fluxus-Gruppe auftraten. Verstärkt wurde solcherlei Mythenbildung durch den von Jürgen Becker und Wolf Vostell 1965 bei Rowohlt herausgegebenen Sammelband ‘Happening’ Fluxus, Pop Art, Nouveau Réalisme’, in dem Fluxus ebenso breit wie Happening dokumentiert wurde, und durch die historische Retrospektive ‘Happening & Fluxus’ 1970 im Kölnischen Kunstverein, der es nicht…