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Essay · von Georg Jappe · S. 48 - 50
Essay , 1975

GEORG JAPPE
Seid unberechenbar!

Die Fahne hoch! Die Reaktion marschiert. Man darf schon wieder Leserbriefkampagnen entfesseln, wenn die Stadt eine moderne Plastik ankaufen will. So geschieht es jetzt in Münster, das an einen Rickey zu denken wagte, nachdem vier Jahre lang eine weit aktuellere Szene vom Westfälischen Kunstverein permanent vorgeführt wurde. Man darf schon wieder laut in einem großen Kulturausschuß sagen: ‘Aber keine abstrakte Kunst!’ Man darf schon wieder gegen Plakate von Staeck vorgehen, weil sie den Londonern nicht das gewünschte Bild von Deutschland geben; man darf schon wieder ein Kunstwerk überkleben, wenn es einem nicht paßt, wenn Buren nicht das liefert, was man von ihm erwartet, sondern Haackes abgelehnte Kritik am Museum in seinen Beitrag mit aufnimmt. Man darf sogar, wenn das Gericht einen Termin um 12h45 anberaumt zur Entscheidung, ob der Katalog von ‘Projekt 74’ nun ausgeliefert werden kann oder nicht, dem Gericht fernbleiben – denn als Beamter der Rechtsabteilung geht man um 12h45 nicht ‘zu Gericht, sondern zu Tisch. Und man darf noch mehr, zum Beispiel: im Deutschen Künstlerbund jene Mitglieder, die nicht realistisch malen, einfach ausjurieren.

Die Wahlsiege Brandts – Schmidt ist kein gewählter Kanzler – waren vor allem den Intellektuellen in den Massenmedien und den spontanen Wählerinitiativen zu verdanken; die SPD hat das tunlichst vergessen. Wo kamen denn in der Mißwirtschaft von Frankfurt die Bürger zu ihrem Recht? Wo kam es denn durch die Schulreform zu kleineren Klassen und besserem Unterricht? Wo haben denn die Unternehmer für die Schäden, die sie anrichten, bezahlen müssen? Unbegreiflich, daß so…


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