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Monografie · von Willi Bongard · S. 48 - 55
Monografie , 1973

3. Folge:

Dr. Wolfgang Hock

Wer bei der Krefelder Filiale der Commerzbank einen Kredit beantragt, der wird selbst dann nicht enttäuscht, wenn er abgewiesen wird. Vorausgesetzt, daß er sich für zeitgenössische Kunst interessiert – und bis zum Filialleiter vordringt.

Der große Warteraum im ersten Stock dieser Bank kann es mit fast jedem der Säle des benachbarten Kaiser Wilhelm Museums aufnehmen. In puncto Progressivität steht das, was hier an den Wänden hängt, dem wagemutigen Sammeleifer eines Dr. Paul Wember kaum nach: Zwei großformatige Stoffbilder von Palermo, die in ihrer stillen Farbigkeit eine geradezu feierliche Atmosphäre verbreiten; eine weiße, asketische Metallstruktur des Minimai-Meisters Sol Lewitt; ein halbes Dutzend sorgfältig gerahmter Photo-Dokumentationen von Hamish Fulton; eine Zweimeter-fünfzig hohe, fetischhafte Skulptur aus Eisen und Draht von Reiner Ruthenbeck in der Mitte des Raumes. Und für Bankkunden, die daran zweifeln könnten, daß es sich bei alledem um Werke bildender Kunst handelt: Drei große, ‘richtige’ Schinken, herausfordernd schlecht gemalt von Sigmar Polke, jenem ernsthaften Schalk, der sich selbst und die Kunst ironisierend analysiert.

Wer es dann gar bis ins ‘Allerheiligste’, bis ins Büro des Filialleiters dieser ‘Kunst & Commerzbank’, schafft, der wird abermals mit bemerkenswerten Kostproben aktuellster Kunst konfrontiert. Auf der weißen Rauhfasertapete hinter dem Schreibtisch fällt eine charakteristische Wandzeichnung von Sol Lewitt ins Auge: ein dichtes Netz von Bleistiftstrichen im Format 150 mal 150 Zentimeter. In respektvollem Abstand daneben ein großes Doppelbild von Brice Marden. Auf der gegenüberliegenden Wand ein dreiteiliges, charakteristisches Stück von Richard Tuttle, eine Handzeichnung von Hanne Darboven und wieder eine frühe Faltarbeit von Sol Lewitt.

Der…

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