Hermann Nitsch –
Das Orgien Mysterien Theater
80. Aktion auf Schloß Prinzendorf
von Helga Köcher
Prinzendorf liegt im Norden von Österreich, hart an der tschechischen Grenze, in einer flachen, welligen Landschaft, deren Bild von Getreidefeldern und Weingärten geprägt ist. Zuckerrüben und Kartoffeln werden angebaut, Erdöl in bescheidenem Ausmaß gefördert.
Inmitten der Felder, am Rand des Dorfes liegt ein Barockschloß, das den Augustinerchorherren als Verwaltungsgut diente, mit vierkanthofartig angebauten Stallungen, Wirtschaftsgebäuden, einem Schlachthaus, aber auch einer Kapelle. 1971 erwarb die Münchner Psychologin Beate Nitsch dieses Schloß vom Orden, der erst später erfuhr, daß die neue Besitzerin die Frau des vielfach wegen Religionsstörung angezeigten Aktionisten Hermann Nitsch war und ihrem Mann das Anwesen zur Verwirklichung seines Lebenswerkes geschenkt hatte.
27. Juli 1984 auf Schloß Prinzendorf. Seit Sonnenaufgang ist das Spiel im Gange. Ein Stier ist im Hof geschlachtet worden, ausgeblutet, ausgeweidet und wie gekreuzigt an der Stallwand im Hof aufgehängt. Junge Männer stopfen die Gedärme in den offenen Leib des Tieres, beschütten sie mit Blut, wühlen darin, reißen sie wieder heraus. Auf Bahren werden andere Männer in den Hof getragen, nackt, mit verbundenen Augen. Gedärme werden auf sie gelegt, Blut wird ihnen zu trinken gegeben und über sie geschüttet.
Rundum sind Heurigenbänke aufgestellt. An die Zuschauer werden Wein und Speisen ausgeteilt. Mehrere Orchester spielen – eine Blasmusikkapelle, ein Schrammelquartett, Bläser, ein Lärmorchester… Die Allee und die Weingärten laden zum Spazierengehen ein. Der Tag ist frisch und kühl. Das Gras ist feucht. Auf der Weide spielen die Pferde.
Es ist Hermann Nitschs 80. Aktion. Seit 1957 beschäftigt er sich…