vorheriger
Artikel
nächster
Artikel
Titel: Fragment und Ruine · von Laurids Ortner · S. 170 - 208
Titel: Fragment und Ruine , 1977

Laurids Ortner (Haus-Rucker-Co)
Provisorische Architektur

Medium der Stadtgestaltung

1

Die Entwicklung der Städte in den meisten Industrieländern Europas ist in eine neue Phase getreten. Die primären Bedürfnisse nach einem Dach überm Kopf, entsprechenden Verkehrsverbindungen und notwendigen Folgeeinrichtungen sind weitgehend gedeckt. Nach dem Krieg wurde so rasch als möglich Zerstörtes ersetzt und Notwendiges neu geschaffen. Ganze Stadtteile wurden aus dem Boden gestampft und Verkehrsbänder rigoros dem immer stärkeren Verkehr angepaßt. In allen Bereichen waren Fortschritt und Wachstum Ziele, die es um jeden Preis zu erreichen galt.

Nach 30 Jahren stehen wir nun einer Umwelt gegenüber, die in ihren Erscheinungsformen eine sonst nirgends erzielte internationale Gleichförmigkeit erreicht hat. Eigenarten unterschiedlicher Traditionen und Kulturen sind ebenso nivelliert wie topografische Merkmale. Stadtlandschaften sind in ihrer Eigenschaftslosigkeit beliebig austauschbar geworden.

In vielen Köpfen ist die Ideologie des ungehemmten Wachstums einem kritischen Blick für die Qualitäten des eigenen Lebens und der Umwelt in der dieses Leben gelebt wird, gewichen. Die Bedeutung der Stadtgestaltung für die physische und psychische Gesundheit der Stadtbewohner stellt niemand mehr ernsthaft in Frage.

Wachsendes Umweltbewußtsein aber hat wenig zu einer realistischen Beurteilung der urbanen Situation beigetragen. Es ist Mode geworden, Umwelt unwirtlich zu finden. So als wären weitreichende Veränderungen einer gegenwärtigen Lage möglich. Aber nicht die Umwelt ist es, die so bedrohlich fremd geworden ist, sondern die Schnelligkeit eines Entwicklungsprozesses, der unsere Reaktionsfähigkeit ständig überfordert. Mit jedem Schritt, den wir hinter dieser Entwicklung nachstolpern, erscheint es unmöglicher, unser Bewußtsein mit dieser Veränderungsintensität zu konditionieren.

Unsere physische und rationale Welt ist zu einem sich sprunghaft ändernden Provisorium geworden. Unser Denken…


Kostenfrei anmelden und weiterlesen:

  • 3 Artikel aus dem Archiv und regelmäßig viele weitere Artikel kostenfrei lesen
  • Den KUNSTFORUM-Newsletter erhalten: Artikelempfehlungen, wöchentlichen Kunstnachrichten, besonderen Angeboten uvm, jederzeit abbestellbar
  • Exklusive Merklisten-Funktion nutzen
  • dauerhaft kostenfrei