Panik in der Kunstwelt?
Der Ausstellungssommer 1997 treibt 1001 Blüten
Von Amine Haase
1.
“Panikblüten” sagt der Naturfreund und schaut besorgt auf die übertrieben sprossende Pflanze. Er weiß, daß ein Übermaß an blühendem Lebenswillen ein Zeichen für gefährdetes Überleben ist. Die Natur wurde stets beschworen, wenn es um Kunst ging – als Konkurrenz, als Maßstab der Nachahmung, als Vorbild sich immer erneuernder Kräfte, als Beispiel für Schönes und Häßliches, als Hort der Stille und als Ort der Bedrohung. Das Naturschöne und das Kunstschöne boten jahrhundertelang Anlässe für philosophische Auseinandersetzungen. Zur Jahrtausendwende schmilzt die Zeit zu einem Augenblick: Die Stunde des Pan schlägt für die Natur und für die Kunst, will man ihre Blüten als Signale auffassen.
Der griechische Gott, nach dem manche Schrecken als panisch bezeichnet wurden, erzeugte diese durch sein urplötzliches Erscheinen. Und der bocksgestaltige Sohn des Götterboten Hermes schmuggelte sich in die Gefolgschaft des Dionysos, was ihn der Ekstase und damit auch einem bestimmten Kunst- und Lebensgefühl noch näher brachte. Apoll, der Freund der Musen, das Inbild von Maß und Vollkommenheit ist tot. Dionysos, der Entfesselte, dessen Maßlosigkeit grenzenlos ist, folgt dem Wiederauferstehungs-Rhythmus der Natur – in seinem Schlepptau der schreckenverbreitende Pan.
Kündigt sich so “Das Ende der Kunst” an, das seit einigen spektakulären dionysischen Malausbrüchen in den achtziger Jahren beschworen wird? Der Amerikaner Arthur C. Danto, Jahrgang 1924, Philosoph und Galeriegänger, konstatierte dieses “Ende” als Ergebnis kontinuierlicher Erstickungsversuche durch die Philosophie: “Die Kunst endet mit dem Anbruch ihrer eigenen Philosophie.” Und: “Wenn man den traurigen Kanon der Ästhetik durchgeht, wird man feststellen,…